Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
Vom Netzwerk:
Zaum zu halten. Die Werbung für eine Sprachschule zeigte ein Gesicht ohne Mund.
    Aaro betete innerlich, die Metro möge sich in Bewegung setzen, aber sie stand auf der Stelle wie in Beton gegossen.
     
    Als sie sich dem Königlichen Museum für Zentralafrika näherten, schaute Timo aus dem Fenster des Helikopters. Den mittleren Teil des aus hellem Stein erbauten Palastes dominierte eine Kuppel, eine breite Treppe führte in einen symmetrischen Garten. In den altmodischen gusseisernen Laternen rings um das Gebäude brannte schwaches Licht.
    »Kein Wunder, dass Sakombi diesen Ort nicht mochte«, sagte Ralf.
    Timo antwortete nicht. Er sprach mit dem Deutschen nur so viel, wie die Situation erforderte. Handschellen hatte man ihm keine angelegt, das wäre sinnlos gewesen.
    Vor dem Hauptgebäude des Museums war ein großer, runder Teich angelegt worden, den geometrisch geschnittene Büsche säumten. Falls Sakombi die Ladung hier versteckt hatte, fehlte es ihm tatsächlich nicht an Gespür für Geschichte, dachte Timo. Die ersten Kongolesen – es hätten die Großeltern von Sakombi sein können – waren zur Weltausstellung von 1897 hier gewesen. Leopold II. hatte damals 267 Männer, Frauen und Kinder aus dem Kongo als Attraktion heranschaffen lassen. Tagsüber wohnten sie in Hütten, die rings um den Teich errichtet worden waren, die Nächte verbrachten sie im königlichen Pferdestall.
    Leopold persönlich suchte einen der Häuptlinge auf und sah bei der Gelegenheit zum ersten Mal einen Angehörigen des Volkes, das ihm gehörte. Leopold sorgte sich durchaus um seine Untertanen. Als ihm zu Ohren kam, die Kongolesen hätten Magenschmerzen von den Süßigkeiten, die ihnen von den Besuchern gegeben worden seien, ließ er ein Schild aufstellen: F ÜR DIE F ÜTTERUNG DER S CHWARZEN SORGT DAS V ERANSTALTUNGSKOMITEE.
    Als die Kongolesen wieder in ihre Heimat verschifft worden waren, schwelgte die Brüsseler Presse in sentimentalen Gefühlen: »Die Seele Belgiens folgt ihnen und schützt sie wie Jupiters Schild. Mögen wir stets der Welt als Beispiel an Menschlichkeit gelten!«
    Der von Teichen und Kanälen gegliederte Park setzte sich einige hundert Meter als breiter, gerader Streifen fort und weitete sich schließlich zu einem mehrere Quadratkilometer umfassenden Gebiet, zum Teil bewaldet und mit natürlichen Teichen.
    Timo schnürte es die Kehle zusammen. Wenn am Wochenende schönes Wetter war, füllten spazieren gehende, Rad fahrende, Rollschuh laufende und reitende Menschen den Park. Jetzt sah man nur Fahrzeuge von Polizei und Armee und hier und dort einige Beamte. Ein Teil der Autos bewegte sich bereits auf den Ausgang zu.
    Timo sah auf die Uhr. Bis zum angekündigten Zeitpunkt waren es noch 96 Minuten. Aber niemand wusste, wie exakt der Zeitzünder funktionierte. Jede Sekunde vergrößerte das Risiko.
    Der Hubschrauber landete auf dem Rasen vor dem Hauptgebäude, neben dem runden Teich. Timo und Ralf kletterten rasch hinaus. Wilson kam ihnen entgegen. Mit skeptischem Interesse musterte er Ralf. Timo stellte ihn kurz vor.
    »Doktor Denk versucht, uns zu helfen«, begnügte er sich zu sagen.
    »Ob dafür noch genügend Zeit ist, werden wir sehen«, sagte Wilson müde und bitter.
    »Neuigkeiten von der Evakuierung?«
    »Auf 100 Prozent werden wir nicht kommen, aber immerhin auf über 90.«
    »Das bedeutet: noch 100000 Menschen in der Gefahrenzone.« Was ist mit Aaro? , hätte er am liebsten hinzugefügt.
    »Ich weiß, was das bedeutet«, fuhr ihn Wilson an.
    »Die Gebäude?«
    »Bis zum letzten Quadratzentimeter abgesucht. Der Park ist aussichtslos.«
    »Kann ich eine Karte von dem Gebiet haben?«
    Wilson reichte sie ihm. »Wenn du unbedingt willst … Hier ist ein Gammadetektor.«
    Timo nahm das Gerät in die Hand. Es erinnerte an die länglichen Apparate, die Zugschaffner über der Schulter hängen hatten. Ein Beamter erklärte in wenigen Sätzen den Gebrauch des Endgeräts.
    Timo ging auf den Teich zu, Ralf an seiner Seite. Heimlich in das Gebäude einzudringen wäre schwierig gewesen. Garten und Wald waren die wahrscheinlicheren Orte. Aus dem schwarzen Wasser des Teichs stiegen zwei Taucher mit hellen Lampen in den Händen.
    »Das Wasser ist zu trüb«, sagte einer von ihnen und begann, seine Ausrüstung abzulegen.
    »Attention«, schallte es aus einem Megafon. »Das Gelände wird geräumt. Begeben Sie sich zu Ihren Fahrzeugen und anschließend sofort zu den angewiesenen Evakuierungsorten.«
    Beklommen beobachtete Timo,

Weitere Kostenlose Bücher