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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht
Autoren: Ilkka Remes
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bis er ihn an die Schwelle der Türöffnung geschoben hatte. Wieder geriet der Helikopter ins Schlingern. Ralf setzte sich hinter den Kasten auf den Boden und zog die Knie an – dann schob er die Ladung mit den Füßen über den Rand.
    Der schwarze Punkt kippte und sank den Wellen entgegen, bis er im Wasser verschwand. Die Bombe hätte im Innern des Mwanga ihren Platz haben sollen, doch jetzt war sie direkt unter ihm.
    Ralf sprang auf, schob sich wieder auf seinen Sitz, löste die Steuerung und flog in einem jähen Bogen zum Festland zurück. Er hielt den Steuerknüppel umklammert und sah vor seinem inneren Auge das Stahlgehäuse in die Tiefe sinken. Und wenn das Wasser die Elektronik beschädigte? Aber nein – das Gehäuse war ja wasserdicht. Ralf verachtete sich für seinen Wunsch zu überleben.
    Er beschleunigte, so gut es ging, und zählte die Sekunden. Ein Teil in ihm hätte sich die Rettungsweste anziehen und zur Notlandung im Meer ansetzen wollen, bevor der EMP-Puls den Motor ausschaltete. Aber es war nicht sicher, ob der Motor ausging, und wenn er flog, würde er weiter wegkommen, jede Sekunde brachte ihn weiter weg. Die Kraft der Explosion verringerte sich im Quadrat zur Entfernung, darum war jeder Meter wichtig.
    Plötzlich erzitterte der Helikopter heftig und wurde wie von einer unsichtbaren Hand nach vorn geschleudert. Eine unermessliche Kraft drückte Ralf in den Sitz. Er hörte ein Geräusch, das abbrach, als ihm mit gellendem Schmerz das Trommelfell platzte. Er sah die Meeresoberfläche mit irrsinniger Geschwindigkeit auf den Hubschrauber zuschießen, er sah sie neben sich, über sich und vor sich. Dann kam der Aufschlag.
     
    Timo spürte die Explosion eher, als dass er sie hörte. Er ballte die Fäuste, kehrte dem Geräusch den Rücken zu und fiel schluchzend wieder auf die Knie. Erschöpfung, Entsetzen und ein ungeheures Gefühl der Erleichterung stritten in ihm.
    Er mochte nicht daran denken, was passiert wäre, wenn die Bombe in Brüssel oder in einer anderen Millionenstadt explodiert wäre. Er wollte auch nicht daran denken, was mit Ralf geschehen war.
    Timo versuchte aufzustehen, doch seine zitternden Knie versagten ihm den Dienst. Er konnte nicht aufhören zu weinen. Schließlich schaffte er es auf die Füße und humpelte auf das Bauernhaus zu. Er atmete tief ein. Noch nie hatte er den kräftigen, erdigen Geruch von Kuhmist so sehr genossen wie in diesem Moment.
    Sein Fußgelenk schmerzte, aber das störte ihn nicht. Er dachte an Aaro. Er wollte so schnell wie möglich seinen Sohn in die Arme nehmen. Und er wollte nach Hause.
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