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Drucke Zu Lebzeiten

Drucke Zu Lebzeiten

Titel: Drucke Zu Lebzeiten
Autoren: Franz Kafka
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Schriften Tagebücher Briefe

    Schriften Tagebücher Briefe Kritische Ausgabe

    Herausgegeben von
Jürgen Born, Gerhard Neumann,
Malcolm Pasley und Jost Schillemeit
    unter Beratung von
Nahum Glatzer, Rainer Gruenter, Paul Raabe
und Marthe Robert

    S. Fischer

    Drucke zu Lebzeiten

    Herausgegeben von
Wolf Kittler, Hans-Gerd Koch und
Gerhard Naumann

    S. Fischer
    Redaktion dieses Bandes:
Hans-Gerd Koch
Forschungsstelle Prager deutsche Literatur
Bergische Universität
Gesamthochschule Wuppertal

    Die Ausgabe wird
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
und dem Minister für Wissenschaft und Forschung
des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert

    Drucke zu Lebzeiten entspricht inhaltlich den
Bänden Betrachtung, erschienen 1913 im Ernst Rowohlt Verlag,
Berlin, Der Heizer, erschienen 1913 im Kurt Wolff Verlag, Leipzig, Die
Verwandlung, erschienen 1915 im Kurt Wolff Verlag, Leipzig, Das Urteil,
erschienen 1916 im Kurt Wolff Verlag, Leipzig, In der Strafolonie,
erschienen 1919 im Kurt Wolff Verlag, Leipzig, Ein Landarzt, erschienen
1919 im Kurt Wolff Verlag, München und Leipzig,
    und Ein Hungerkünstler, erschienen 1924 im Verlag Die Schmiede, Berlin.
    Lizenzausgabe mit Genehmigung
von Schocken Books Inc., New York City, USA
für die S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a. M.
Copyright 1935 by Schocken Verlag, Berlin
Copyright 1946, 1963 by Schocken Books Inc., New York City, USA
Für diese Ausgabe:
© 1994 Schocken Books Inc., New York City, USA
Gestaltung: Peter W. Schmidt
Satz: Fotosatz Otto Gutfreund, Darmstadt
Druck: Wagner GmbH, Nördlingen
Einband: G. Lachenmaier, Reutlingen
Printed in Germany 1994
isbn 3-10-038152-1
isbn 3-10-038153-x (Textband)
isbn 3-10-038154-8 (Apparatband)

    Drucke zu Lebzeiten

    Betrachtungen

    Für M. B.

    Kinder auf der Landstraße

    Ich hörte die Wagen an dem Gartengitter
vorüberfahren, manchmal sah ich sie auch durch die schwach
bewegten Lücken im Laub. Wie krachte in dem heißen Sommer
das Holz in ihren Speichen und Deichseln! Arbeiter ka- men von den
Feldern und lachten, daß es eine Schande war.
      Ich saß auf unserer kleinen
Schaukel, ich ruhte mich gerade aus zwischen den Bäumen im Garten
meiner El- tern.
      Vor dem Gitter hörte es nicht
auf. Kinder im Lauf- schritt waren im Augenblick vorüber;
Getreidewagen mit Männern und Frauen auf den Garben und rings her-
um verdunkelten die Blumenbeete; gegen Abend sah ich einen Herrn mit
einem Stock langsam spazieren gehn und paar Mädchen, die Arm in
Arm ihm entgegenka- men, traten grüßend ins seitliche Gras.
      Dann flogen Vogel wie sprühend
auf, ich folgte ihnen mit den Blicken, sah, wie sie in einem Atemzug
stiegen, bis ich nicht mehr glaubte, daß sie stiegen, sondern
daß ich falle, und fest mich an den Seilen haltend aus
Schwä- che ein wenig zu schaukeln anfing. Bald schaukelte ich
stärker, als die Luft schon kühler wehte und statt der
fliegenden Vögel zitternde Sterne erschienen.
       Bei Kerzenlicht bekam ich mein
Nachtmahl. Oft hatte ich beide Arme auf der Holzplatte und, schon
müde, biß ich in mein Butterbrot. Die stark durchbrochenen
Vor- hänge bauschten sich im warmen Wind, und manchmal hielt sie
einer, der draußen vorüberging, mit seinen Hän- den
fest, wenn er mich besser sehen und mit mir reden wollte. Meistens
verlöschte die Kerze bald und in dem dunklen Kerzenrauch trieben
sich noch eine Zeitlang die versammelten Mücken herum. Fragte mich
einer vom Fenster aus, so sah ich ihn an, als schaue ich ins Gebirge
oder in die bloße Luft, und auch ihm war an einer Ant- wort nicht
viel gelegen.
       Sprang dann einer über die
Fensterbrüstung und mel- dete, die anderen seien schon vor dem
Haus, so stand ich freilich seufzend auf.
       „Nein, warum seufzst Du
so? Was ist denn geschehn? Ist es ein besonderes, nie gut zu machendes
Unglück? Werden wir uns nie davon erholen können? Ist
wirklich alles verloren?"
       Nichts war verloren. Wir liefen
vor das Haus. „Gott sei Dank, da seid Ihr endlich!" –
„Du kommst halt im- mer zu spät!" – „Wieso denn
ich?" – „Gerade Du, bleib zu Hause, wenn Du nicht
mitwillst." – „Keine Gna- den!" – „Was? Keine
Gnaden? Wie redest Du?"
       Wir durchstießen den Abend mit dem Kopf. Es gab
    keine Tages- und keine Nachtzeit. Bald rieben
sich unse- re Westenknöpfe aneinander wie Zähne, bald liefen
wir in gleichbleibender Entfernung, Feuer im Mund, wie Tiere in den
Tropen. Wie Kürassiere in alten Kriegen, stampfend und hoch in der
Luft, trieben
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