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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut
Autoren: Julia Kroehn
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sie würgte und erdrückte ihn. Sie quetschte den Lebensodem aus ihm und fraß ihn gierig auf.
    So schnell geschah es, dass die anderen nichts taten als zu glotzen. Samuels Bild hatte sie noch zum Zittern gebracht. Lenas Mord machte sie starr.
    Als Lena von Samuels Körper abließ, regte sich jener noch. Geschunden erhob er sich, um vor ihr zu fliehen. Sie warf sich erneut auf ihn, schlug jedoch nicht mehr nur mit Fäusten auf ihn ein, sondern mit allem, was ihr zu Gebote stand; sie stach mit den Pinseln in seine verdammten Augen, tränkte seinen bösen Mund mit Farbe, zerschmetterte die Staffelei auf seinem irren Kopf.
    Lena wütete gegen Samuel und gegen ihre Liebe zu ihm, scheute sich nicht mehr, ihn zu beschmutzen, sondern dachte an sein schmutziges Bild; sie biss, riss, würgte, quetschte, schmetterte, hieb.
    Keiner schritt ein, auch Grothusen nicht.
    Zuletzt zerriss sie ihm das Gewand, brach ihm die Glieder, riss ihm die Haut auf. Blind tastend suchte Samuel sich immer noch zu schützen. Stöhnend hoffte er, dass man Lena von ihm lösen möge, richtete sich auf und fiel, richtete sich noch einmal auf und fiel erneut.
    Nachdem Samuel zum dritten Mal liegen blieb, tat er keine Regung mehr. Lena wütete weiter an dem geschundenen Körper. Schließlich war es Doktor Mohr, der auf sie zutrat, sie zum Innehalten brachte und Samuel betastete wie vorhin noch das stille Kind. Sein Gesicht war bleich, als er dem Tod begegnete, dem er stets hatte entfliehen wollen.
    Während Lena ihre Hände sinken ließ; griff Doktor Mohr in Samuels Wundmale, fühlte dessen Sterben und erinnerte sich an Angelika – die Frau, die er nie hatte, die Kinder, die sie ihm nie geboren hatte, das Glück, auf das er für immer hatte verzichten müssen. Er war der Erste, der weinte.
    »Es ist tot!«, murmelte er. »Er ist tot!«
    Die meisten gingen, ohne sich nach Samuels Leichnam umzusehen. Sie fanden keine Zeit dafür. Laut schrie einer, man möge das schreckliche Bild vernichten.
    »Nein!«, antwortete ein anderer. »Soll es doch als Beweis gelten, was hier geschah!«
    »Draußen steht die Gendarmerie!«, gellte einer. »Sie werden uns alle in den Kerker werfen!«
    »Unsinn!«, zischte man zurück. »Sie sind wegen Grothusen hier!«
    Grothusen hatte von der Tür aus Samuels Sterben verfolgt.
    Jetzt trat er an die Stelle, wo das Kind verlassen lag. Niemand hatte sich darum gekümmert – Doktor Mohr nicht mehr, weil er neben Samuel kniete, und Lena nicht, weil sie über ihren Mord vergessen hatte, dass sie bei dem Kind nach Lebenszeichen suchen wollte.
    Jetzt fiel es ihr wieder ein. Jetzt wollte sie sich erheben, nach dem Kinde schauen, es zum Atmen bringen. Es war nicht erwiesen, dass sein Herz nicht mehr schlug.
    »Vielleicht ist es nicht tot«, murmelte sie. »Vielleicht lebt es noch.«
    Sie wollte nach ihm greifen, doch Grothusen war schneller. Ein zweites Mal stellte er sich zwischen sie und das Kind.
    »Wag bloß nicht, es auch nur anzurühren!«, zischte er sie an. »Wo du hingreifst, ist Tod! An deinen Händen klebt Blut!«
    Sie war geschwächt und schweißüberströmt. »Sag das nicht!«, flehte sie. »Samuel darf nicht Recht behalten!«
    Er wehrte sie mit beiden Händen ab. »Du warst es, die an Samuel festgehalten hat! Du hast mich für ihn verschmäht! Du hast gesorgt, dass er sein letztes Bild gemalt hat! Es gehört nun dir! Auch Samuel gehört dir! Glaub ja nicht, du wärst ihn los, nur weil du ihn getötet hast!«
    Weder Liebe noch Hass gaben ihr Kraft, sich zu widersetzen. Beide waren erloschen wie ihr Blick.
    »Simon!«, nannte sie hilflos seinen Namen. »Was soll ich denn tun?«
    Er war stark an ihrer statt. Ähnlich rasend wie eben noch sie sich gezeigt hatte, ging er auf sie los, packte sie, riss ihre Bluse und ihr Mieder auf, bis man die nackte Haut sehen konnte. Ungestüm holte er das Bild von Samuels Staffelei und stopfte es an ihren Busen.
    »Du hast das Kind nicht beschützt! Du wolltest, dass Samuel sein letztes Bild mit dem Blut des Kindes malt! Jetzt hast du dieses Bild! Nimm es! Nimm es und werde es nie wieder los!«
    Sie wollte sich wehren, aber ihre Hände gehorchten ihr nicht. Erstarrt fühlte sie, wie er das Bild grob zwischen ihre Brüste schob und ihre Bluse darüber schloss.
    »Du wolltest Samuel immer spüren!«, geiferte er. »Nun, jetzt gehört dir Samuel! Jetzt kannst du ihn wie eine zweite Haut tragen und gar nicht mehr damit aufhören, ihn zu lieben!«
    Sie wagte nicht, ihre Hände nach dem Kinde
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