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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut
Autoren: Julia Kroehn
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seines Todes waren rätselhaft, sein Verweilen in der Fremde verdächtig, seine Bilder verdorben. Man müsse ihn darum wie einen Selbstmörder behandeln, dem es verwehrt sei, in geweihter Erde begraben zu liegen.
    Graf Altenbach war damit zufrieden. Er wollte später gut gebettet im Grab liegen und nicht in der Nähe seines verhassten Stiefsohns zu Staub verfallen. Eilfertig schlug er darum vor, man sollte Samuel doch neben Felicitas bestatten, welche als Abtreiberin außerhalb der Friedhofsmauern lag, am besten ohne Aufsehen. Lena möge dabei sein, sein Sohn und Veronika, Marie jedoch nicht. Man solle sie einlullen und in ihrer einsamen Kammer belassen.
    Marie ließ sich nicht einlullen. Als sie erfuhr, dass man Samuel in ungeweihter Erde begraben wollte, lief sie hinunter, wo sich die wenigen um Samuels eilig zurechtgezimmerten Sarg versammelt hatten.
    »Die Kirche hat ihn mir gegeben!«, schrie sie den Umstehenden zu. »Die Kirche soll ihn wieder zurücknehmen!«
    Der Pfarrer verstand sie nicht, aber ahnte ein unangenehmes Geheimnis. Verlegen wandte er sich ab.
    »Er wird nicht neben der Abtreiberin liegen!«, schrie Marie. »Er wird in geweihter Erde begraben! Die Kirche hat ihn mir gegeben, die Kirche soll ihn wieder nehmen!«
    »Gräfin ...«, stammelte der erbleichte Priester.
    »Ein Domherr hat ihn mir in meinen Bauch gepflanzt!«, kreischte Marie. »Mich hat man nicht gefragt!«
    Graf Maximilian scharrte mit den Füßen und lächelte entschuldigend.
    »Er hat doch Bilder mit Menschenblut gemalt!«, murmelte Pfarrer Greifenthal.
    »Dann vergrabt diese Bilder in verdammter Erde, verbrennt sie im Feuer, oder versenkt sie im Fluss! Aber Samuel werdet Ihr segnen! Über ihn werdet Ihr Gebete sprechen! Seht zu, wie Ihr mit ihm zurande kommt!«
    Der Verwalter prustete los. Hochwürden Greifenthal zuckte die Schultern. Immerhin war Samuel kein Selbstmörder.
    Er erklärte, dass Samuel nicht in der Familiengruft liegen solle. Er möge ein eigenes Grab bekommen. Dieses aber in Gottes Namen und geweihter Erde.
    – Als Samuel endlich begraben wurde und Erde auf seinen schlichten Sarg fiel, kippte Lena ohnmächtig um. Sie hatte seit seinem Tod nicht mehr geschlafen. Ehe sie auf den Boden schlagen konnte, wurde sie von Händen gestützt. Marie und Veronika griffen gleichzeitig nach ihr. Die Schwiegertochter des Grafen blieb selbst dann an ihrer Seite, als sie sie zurück zum Gutshof geführt hatte. Sie legte ihr kalte Kompressen auf die Stirn.
    »Du musst dich ausruhen und zu Kräften kommen«, sagte Veronika milde.
    »Lasst mich darüber sprechen«, flehte Lena. »Lasst mich erklären, wie es geschehen konnte. Ich will aller Welt davon berichten. Ich will meine Schuld nicht verschweigen.«
    Veronika hielt sie an sich gedrückt und streichelte ihr bleiches Gesicht. Vergessen schien, wie Lena aufmüpfig vor ihr gestanden hatte, als sie Samuel nachgefolgt war, wie sie Andreas vor ihr geschützt und Veronika aus dem Palais Hagenstein verwiesen hatte.
    »Ich muss gehen und darüber sprechen«, wiederholte Lena. »Ich muss Grothusen suchen. Er kann nicht gemeint haben, was er zu mir sagte. Er wird mir vergeben müssen, wenn ich darum bitte.«
    Während sie noch sprach, nestelte sie an ihrem Mieder und zog das Bild mit dem toten, verbrannten Kind hervor, um es abzugeben.
    Veronika nahm es in die Hände, ohne es aufzurollen. Weich, aber bestimmt wies sie es Lena zu und steckte es ihr erneut unter die Kleider.
    »Nein«, befahl Veronika sanft. Sie, die unfruchtbar war und nie ein Kind gebären würde, zeigte sich mütterlich.
    »Nein, du wirst nirgendwohin gehen. Du wirst Samuels Andenken wahren. Auf ihn hast du deine Liebe gesetzt, und ihm wirst du dienen bis zu deinem Tod. Das befehle ich dir – und ebenso, dass du sein letztes Bild an deinem Herz bewahrst. Füge dich, denn du kannst nichts dagegen tun. Dein Schrei hat seinen Zauber verloren und vermag den Lauf der Welt nicht mehr zu gängeln. Du hast keine Macht gegen mich.«
    Doktor Mohr verrottete in seinem Kerker. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, wiewohl er sich dagegen wehrte, brüllte und schrie. Zwanzig Jahre lang hasste er sich dafür, dass er freiwillig ins Palais Hagenstein gekommen war. Zuletzt schliff er den Löffel, mit dem er seine spärlichen Speisen zu sich nahm, am harten Stein seiner rauen, lichtlosen Umgebung scharf und durchtrennte die Adern an seinem Handgelenk mit einem raschen Schnitt. Langsam verblutend starrte er durch die kleine Luke. Er
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