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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut
Autoren: Julia Kroehn
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ihren entschlossenen Schritten.
    »Was werdet Ihr jetzt tun?«, rief er ihr hinterher. Er hatte diese Frage bislang fortgeschoben, wiewohl ihm während ihres Erzählens des Öfteren in den Sinn gekommen war, dass er nun, da sie sich ihm anvertraute, Verantwortung für sie trüge, dass ihr Weiterleben auch mit ihm zu tun habe, dass er sich nicht einfach fortdrehen und sie ihrem Schicksal überlassen konnte.
    Sie drängte sich ihm nicht auf, sondern entlastete ihn mit einem klaren Vorhaben.
    »Ich werde zu Grothusen gehen«, beschied sie ihm. »Ihr müsst mir sagen, wo er lebt.«
    Da sie sich nicht nach ihm umdrehte, konnte sie ihm nicht ins Gesicht schauen und seine Angst darin erspähen, dass seine Lüge aufgedeckt würde.
    Vielleicht ist es gar keine Lüge, fiel ihm ein, vielleicht hat er ihr tatsächlich längst verziehen und nur vergessen, es mir zu sagen.
    »Wie ich erwähnte – er lebt in einem Dorf in Italien«, sprach er hastig, um sein Unbehagen zu verbergen. »Er ist Fischer geworden.«
    Ein letztes Mal hielt Lena inne. Ungläubig drehte sie sich nach ihm um und starrte ihn an. »Simon Grothusen?«, fragte sie erregt. »Aber er hasst Fisch!«
    Moritz zuckte die Schultern. »Nun, da ich die Geschichte kenne, erscheint es mir merkwürdig wie Euch«, murmelte er. »Aber ich habe ihn und seine Tochter niemals anderes essen sehen.«
    »Er hat eine Tochter?«, fragte Lena.
    Ein weiteres Mal fühlte sich Moritz verlegen – diesmal nicht wegen seiner Lüge, sondern weil er übersehen hatte, ihr ein Detail kundzutun, das ihm selbst nichtig erschien.
    Um sein Versäumnis wettzumachen, entschied er sich zur Übertreibung.
    »Ja«, berichtete er hastig. »Ja, sie ist schön, stark und jung. Ich erblickte sie nur kurz an seiner Seite – und komme dennoch beinahe ins Schwärmen, wenn ich an sie denke. Leider spricht sie nicht unsere Sprache – Grothusen scheint ihr kein Wort davon beigebracht zu haben. Ich konnte sie anschauen, aber nicht mit ihr reden.«
    Lena ging wieder geradeaus und verbarg ihr Gesicht vor ihm. Nur ihr Murmeln war hörbar, viel leiser und unbedeutender als ihr voriger Schrei.
    »Also ist sie nicht tot, sondern lebt«, stellte sie fest. »Und so habe auch ich wieder das Recht zu leben.«

    ENDE
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