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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes
Autoren: Jacquelyn Frank
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    Schmerz.
    Er schlug auf ihn ein wie eine erbarmungslose Trommel, pochte in seinem Verstand und vibrierte in seiner Seele, bis er in seinem Körper brannte, als wäre es sein eigener. Verwundert über diese heftige Reaktion, zögerte Reule einen Augenblick lang und ließ sich im falschen Moment ablenken. Er spürte die Reinheit des zerstörerischen Gefühls in sich erzittern. Zu rein und zu verstörend, wie Reule sehr schnell bemerkte, während er erprobte und wirkungsvolle geistige Barrieren errichtete, die den Großteil der heftigen Verzweiflung auslöschten, die seine Konzentration gestört hatten.
    Wie fahrlässig von ihm, so etwas in einem so entscheidenden Moment zuzulassen. Tiefes Befremden zeigte sich auf seiner Stirn und um seinen Mund. Noch nie im Leben hatte er eine so übermächtige Traurigkeit verspürt, doch sie war vollkommen echt gewesen. Nachdem er das Ganze beiseitegeschoben hatte, um sich wieder auf sein aktuelles Ziel zu konzentrieren, hob er den Kopf, nahm die Witterung der anderen auf und bestimmte stumm deren Position, wobei sie ihre mentale Verständigung auf ein Minimum beschränkten. Ihre Beute würde spüren, wie sie näher kamen, wenn sie die geistige Energie ihrer Verfolger wahrnahm, die über die telepathischen Kanäle hin und her flog.
    Reule bestimmte auch Identität und Standort der anderen Rudelmitglieder. Rye im Norden an der Steinmauer im Gebüsch. Darcio mehrere Meter hinter ihm, geduckt am Stamm einer dicken alten Eiche. Und Delano natürlich direkt vor ihnen an der Grenze zum feindlichen Territorium, in das sie eindringen wollten.
    Als Nächstes richtete Reule seine Aufmerksamkeit auf das Haus, das tief im Dunkeln lag, und konzentrierte sich, bis sich sein Sehvermögen so veränderte, dass er die Ziegelmauer durchdringen konnte und die grünlich weißen sich bewegenden Punkte sah, die auf Leben in irgendeiner Form hinwiesen. Es war leicht, ihr eigentliches Ziel auszumachen; es saß in der Mitte, umgeben von den anderen wie eine Bienenkönigin von ihren Arbeiterbienen. Das alles fand im zweiten Stock statt.
    Reule richtete seine Aufmerksamkeit auf Delano und beobachtete, wie er mit geschmeidiger Schnelligkeit die Grenze überschritt. Gemeinsam bewegte sich das restliche Rudel vorwärts, die Sinne im Rhythmus, den es brauchte, um bei ihrer Sache erfolgreich zu sein. Er hätte die Augen schließen können und noch immer mitbekommen, dass Rye die Steinmauer problemlos überwand und dass Darcio seine Schritte genau an den Rhythmus von Reule anpasste.
    Die Rudelmitglieder näherten sich vorsichtig dem Gebäude. Reule ging mit äußerster Wachsamkeit auf den Fußballen in die Hocke, und er wurde so geräuschlos und unsichtbar wie ein Schatten. Seine Lautlosigkeit war zeitlich perfekt abgestimmt. Sein Zielobjekt kam aus der nächsten Tür, die so nah war, dass es beinahe über Reule gestolpert wäre. Als der Pechvogel an Reule vorbeiging, schlug dieser mit der Schnelligkeit einer Kobra zu. Seine Fangzähne schossen in ihrer ganzen prachtvollen Länge hervor, als er angriff, doch er würde von dieser abstoßenden Kreatur nicht kosten wollen. Er konnte den Drang kontrollieren und sich diese scheußliche Erfahrung ersparen.
    Stattdessen brachte er seine ausgefahrenen Krallen zum Einsatz. Reule hielt seinem Opfer den Mund mit der Hand zu, riss ihm den Kopf zurück und stieß ihm die nadelspitzen Fingernägel direkt durch das Hemd, dessen Baumwollstoff keinen Schutz bot, in die Schulter. Reule spannte die Muskeln an, als sein Opfer strampelte und sich wehrte, doch sie wussten beide, dass es sinnlos war. Sobald das lähmende Gift auf den Nägeln durch die Haut gedrungen war, war es nur noch eine Frage der Zeit. Doch Reule hielt ihn so lange fest, bis die Droge ihre Wirkung zeigte, wobei er seine mentalen Kräfte einsetzte, um sein Opfer zum Schweigen zu bringen, damit es nicht Alarm schlug. Als der andere schließlich in seinen Armen zusammensackte, ließ er ihn los. Der Körper seines Gegners fiel zu Boden wie ein Sack Steine, wobei die Knochen ein dumpfes Geräusch verursachten. Voller Verachtung stieß Reule ihn fort. Das Gift würde ihn nicht töten, doch falls Reule das nicht gefallen sollte, was er in dem Haus vorfand, würde er zurückkommen und ihn töten.
    Reule straffte sich und ging auf die Tür zu. Er achtete darauf, ob noch jemand kommen würde, als er mit einem Mal eine verräterische Wärme und eine Bewegung wahrnahm. Sie befanden sich im oberen Stockwerk im Hauptraum, und
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