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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat
Autoren: Anne Perry
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erforderlich? Sie haben Ihr Anliegen bereits bewiesen.«
    »Noch nicht ganz, Euer Ehren. Dieses Kind ist von seinem Vater, seinem Großvater und noch jemandem sexuell mißbraucht worden. Ich denke, es sollte uns auch interessieren, wer dieser dritte Mann war.«
    »Schön, decken Sie seine Identität auf, Mr. Rathbone, wenn Sie können. Ich werde Sie allerdings sofort unterbrechen, sollten Sie dem Kind unnötige Qualen zumuten. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    »Ja, Euer Ehren, absolut.«
    Wenig später stand Cassian zum zweitenmal im Zeugenstand, schmal und blaß, doch wieder vollkommen gefaßt. Rathbone trat vor.
    »Cassian – deine Großmutter hat gerade eine Aussage abgelegt, aus der eindeutig hervorgeht, daß dein Großvater dich auf dieselbe Weise mißbraucht hat. Du brauchst zu diesem Punkt nichts mehr zu sagen. Es ist uns aber bekannt, daß da noch ein dritter Mann war, und wir müssen unbedingt wissen, wer.«
    »Nein, Sir. Das darf ich Ihnen nicht sagen!«
    »Ich kann deine Gründe verstehen.« Rathbone wühlte in seiner Tasche und brachte ein elegantes Federmesser mit schwarzemailliertem Griff zum Vorschein. Er hielt es in die Luft. »Besitzt du ein Messer, das so aussieht wie dieses hier?«
    Cassian starrte ihn mit rotfleckigen Wangen an.
    Hester richtete einen Blick zur Galerie. Peverell wirkte verwundert, mehr nicht.
    »Vergiß nicht, wie wichtig die Wahrheit ist«, mahnte Rathbone. »Hast du so ein Messer?«
    »Ja, Sir«, gab Cassian unsicher zu.
    »Einen Uhrenanhänger zufällig auch? Einen goldenen mit den Waagschalen der Justitia darauf?«
    Cassian schluckte. »Ja, Sir.«
    Rathbone zog ein seidenes Taschentuch hervor.
    »Und ein Taschentuch aus Seide?« Der Junge war kreidebleich. »Ja, Sir.«
    »Woher hast du das alles, Cassian?«
    »Ich…« Er schloß die Augen und begann heftig zu blinzeln.
    »Darf ich dir helfen? Hat dein Onkel Peverell Erskine dir die Sachen geschenkt?«
    Peverell sprang auf. Damaris zog ihn so unsanft zurück, daß er das Gleichgewicht verlor. Cassian schwieg.
    »Es stimmt, nicht wahr?« Rathbone ließ nicht locker.
    »Mußtest du ihm versprechen, daß du niemandem etwas davon erzählst?«
    Cassian gab immer noch keine Antwort, doch plötzlich stürzten Tränen aus seinen Augen und liefen in Sturzbächen seine Wangen hinab.
    »Cassian – ist er der andere Mann, der Liebe mit dir gemacht hat?«
    Auf der Galerie ertönte ein entsetztes Japsen.
    »Nein!« schrie der Junge mit hoher, vor Verzweiflung schriller Stimme. »Nein, er war es nicht! Ich hab die Sachen genommen. Ich hab sie gestohlen, weil – weil ich sie wollte.«
    Alexandra begann zu schluchzen. Die Wärterin nahm sie mit unvermuteter, linkischer Sanftheit bei den Schultern und stützte sie.
    »Weil sie hübsch sind?« fragte Rathbone ungläubig.
    »Nein. Weil er – weil er nett zu mir war«, weinte Cassian. »Er war der – der einzige, der das nicht mit mir gemacht hat. Er war einfach mein – mein Freund. Ich…« Er schluchzte hilflos. »Er war mein Freund.«
    »Ach ja?« Rathbone heuchelte nach wie vor Skepsis, obwohl der Schmerz in seiner Stimme nicht zu überhören war. »Dann war Peverell Erskine also nicht der dritte Mann? Sag es mir, und ich glaube dir!«
    »Dr. Hargrave!« wimmerte der Junge. Er brach völlig zusammen und ließ sich von Weinkrämpfen geschüttelt an der Innenwand des Zeugenstands hinabgleiten. »Dr. Hargrave! Er war’s! Er war’s! Ich hasse ihn! Laßt ihn nicht weitermachen! Laßt ihn nicht! Onkel Pev, mach, daß sie aufhören!«
    Auf der Galerie entstand ein Riesentumult. Zwei Männer hatten Hargrave gepackt und hielten ihn fest, ehe der Vollzugsbeamte überhaupt einen Finger rühren konnte.
    Rathbone erklomm den Zeugenstand, half Cassian hoch und legte ihm einen Arm um die Schulter. Dann brachte er ihn, mehr tragenderweise, nach unten, wo ihm Peverell Erskine entgegenkam, der sich an den Gerichtsdienern vorbeigekämpft und die Tische der Anwälte bereits hinter sich gelassen hatte.
    »Nehmen Sie ihn um Gottes willen mit und kümmern Sie sich um ihn«, stieß Rathbone aufgewühlt hervor.
    Peverell hob den Jungen hoch, nahm ihn auf den Arm und trug ihn an den Gerichtsdienern und der gaffenden Menge vorbei aus dem Saal; Damaris folgte ihm auf den Fersen. Von einem tiefen Seufzen begleitet fiel die Tür hinter ihnen ins Schloß, dann kehrte wieder Totenstille ein.
    Rathbone blickte den Richter an.
    »Damit ist meine Beweisführung abgeschlossen, Euer Ehren.«
    Die Zeit schien
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