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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat
Autoren: Anne Perry
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Lovat-Smith?«
    »Keine Fragen. Danke, Euer Ehren.«
    »Du kannst jetzt gehen, Valentine. Das Gericht dankt dir für deine Ehrlichkeit und deinen Mut und bedauert zutiefst, daß es dir diese Tortur auferlegen mußte. Es steht dir frei, zu deinem Vater zurückzukehren, damit ihr euch gegenseitig soviel Unterstützung wie möglich geben könnt.«
    Unter allgemeinem Stoffrascheln und gemurmelten Mitleidsbekundungen stieg Valentine still die Stufen hinunter und marschierte geradewegs zu der geschlagenen Figur, die sein Vater war.
    »Haben Sie noch weitere Zeugen, Mr. Rathbone?« erkundigte sich der Richter.
    »Ja, Euer Ehren. Ich könnte den Stiefelburschen der Furnivals aufrufen, der früher einmal Trommler bei der indischen Armee war. Er wird erklären, weshalb er die Wäsche fallen ließ und panikartig die Flucht ergriff, als er General Carlyon am Abend der Dinnerparty unvermutet im Hausflur der Furnivals gegenüberstand… falls Sie das für erforderlich halten. Ich würde es allerdings lieber nicht tun – ich nehme an, das hohe Gericht versteht warum.«
    »Das tun wir, Mr. Rathbone, das tun wir«, versicherte ihm der Richter. »Rufen Sie ihn nicht auf. Wir dürfen wohl die Schlußfolgerung ziehen, daß er entsetzt und aufgewühlt war.
    Wird Ihrem Anliegen damit Genüge getragen?«
    »Vollkommen, Euer Ehren. Vielen Dank.«
    »Wollen Sie dagegen Einspruch erheben, Mr. Lovat-Smith? Möchten Sie den Jungen in den Zeugenstand rufen, um ihm eine genaue Erklärung abzuringen – und zwar eine andere, als sie den Geschworenen zwangsläufig in den Kopf kommen wird?«
    »Nein, Euer Ehren«, sagte Lovat-Smith sofort. »Wenn die Verteidigung einverständlich außer Frage stellt, daß der fragliche Junge erwiesenermaßen im selben Regiment wie General Carlyon gedient hat.«
    »Mr. Rathbone?«
    »Ja, Euer Ehren. Wir haben seine Armeeakte aufgespürt. Er diente ohne jeden Zweifel in derselben Einheit wie General Carlyon.«
    »Dann besteht kein Anlaß, ihn aufzurufen und einer Prozedur auszusetzen, die ausgesprochen schmerzhaft für ihn sein muß. Fahren Sie mit dem nächsten Zeugen fort.«
    »Ich bitte das hohe Gericht inständig, mir zu gestatten, Cassian Carlyon in den Zeugenstand zu rufen. Er ist acht Jahre alt, Euer Ehren, meiner Meinung nach hochintelligent und durchaus in der Lage, Wahrheit und Lüge voneinander zu unterscheiden.«
    Alexandra sprang auf wie von der Tarantel gestochen.
    »Nein!« schrie sie fassungslos. »Das – das können Sie nicht tun!«
    Der Richter musterte sie mit einer eigentümlichen Mischung aus Erbitterung und Mitleid.
    »Setzen Sie sich, Mrs. Carlyon! Als Angeklagte sind Sie zwar befugt, während der Verhandlung anwesend zu sein, jedoch nur, solange Sie sich angemessen verhalten. Falls Sie die Absicht haben, den Prozeßverlauf zu behindern, werde ich Sie entfernen lassen müssen. Es täte mir leid, bitte, zwingen Sie mich nicht dazu.«
    Zitternd und ganz langsam ließ sie sich zurücksinken. Rechts und links von ihr nahmen zwei graugekleidete Wärterinnen je einen ihrer Arme, allerdings mehr um zu helfen als um sie zu bändigen.
    »Rufen Sie ihn auf, Mr. Rathbone. Ich werde entscheiden, ob er zu einer Aussage fähig ist, und die Geschworenen sollen seinen Worten den Wert beimessen, der ihnen angebracht erscheint.«
    Ein Vollzugsbeamter begleitete Cassian bis zur vordersten Zuschauerreihe, doch das letzte Stück legte er allein zurück. Der Junge war etwa einen Meter zwanzig groß, sehr schmal und dünn, hatte ordentlich gekämmtes, hellblondes Haar und ein erschreckend weißes Gesicht. Er erklomm den Zeugenstand und spähte über die Brüstung erst auf Rathbone, dann auf den Richter hinab.
    Wieder murrte und seufzte es im Saal. Ein paar der Geschworenen drehten ihre Köpfe zu Alexandra um, die wie versteinert auf der Anklagebank saß.
    »Wie ist dein Name?« fragte der Richter Cassian freundlich.
    »Cassian James Thaddeus Randolf Carlyon, Sir.«
    »Weißt du, weshalb wir hier sind, Cassian?«
    »Ja. Um meine Mutter aufzuhängen.«
    Alexandra biß sich auf die Fingerknöchel, und plötzlich rannen Tränen über ihr Gesicht.
    Ein Geschworener schnappte nach Luft.
    Irgendwo in der Menge schluchzte eine Frau hysterisch auf. Der Richter hielt den Atem an und erbleichte.
    »Nein, Cassian, das sind wir nicht! Wir sind hier, um herauszufinden, was an dem Abend geschah, als dein Vater starb, und warum es geschah. Danach müssen wir tun, was das Gesetz von uns verlangt, um Gerechtigkeit zu
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