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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat
Autoren: Anne Perry
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General mit dem Messer angegriffen hast? Ging es dann immer noch weiter?«
    »Nein. Er – er ließ mich in Ruhe.«
    »Sein eigener Sohn muß zu der Zeit etwa… wie alt gewesen sein?«
    »Cassian?« Valentine schwankte und mußte sich an der Brüstung festhalten. Er war leichenblaß.
    »Ungefähr sechs?« Rathbones Stimme klang wie ein Reibeisen.
    Der Junge nickte, und diesmal forderte ihn niemand auf zu sprechen. Sogar der Richter war weiß wie die Wand.
    Rathbone drehte sich um und ging ein paar Schritte, die Hände tief in den Taschen vergraben, dann fuhr er herum und blickte wieder zu Valentine hoch.
    »Sag, Valentine, warum hast du deinen Eltern nichts von diesem grauenhaften Mißbrauch erzählt? Warum bist du nicht zu deiner Mutter gegangen? Wäre das für ein kleines Kind nicht völlig normal gewesen, wenn es verletzt worden ist und Angst hat? Weshalb hast du das nicht sofort getan, anstatt jahrelang zu leiden?«
    Valentine senkte todunglücklich den Blick.
    »Hätte deine Mutter dir nicht helfen können?« beharrte Rathbone. »Der General war schließlich nicht ihr Vater. Es hätte sie zwar seine Freundschaft gekostet, doch was ist das schon, verglichen mit dir, ihrem Sohn? Sie hätte ihm wenigstens das Haus verbieten können. Und dein Vater hätte ihn dafür bestimmt mindestens auspeitschen lassen, oder nicht?«
    Valentine schaute den Richter an; seine Augen schwammen in Tränen.
    »Du mußt antworten«, sagte der ernst. »Hat dein Vater dich ebenfalls mißbraucht?«
    »Nein!« Die ehrliche Betroffenheit in seiner Stimme und sein bestürztes Gesicht sprachen Bände. »Nein! Nie!«
    Der Richter atmete auf und lehnte sich zurück. Um seinen Mund spielte der Hauch eines Lächelns.
    »Warum hast du dich dann nicht an ihn gewendet, damit er dich beschützt? Oder an deine Mutter? Sie hätte doch bestimmt etwas unternommen.«
    Die Tränen liefen über und rannen ihm in Strömen die Wangen hinab.
    »Sie wußte es.« Er mußte würgen und rang mühsam nach Luft. »Sie hat gesagt, ich dürfte es niemandem erzählen, vor allem nicht Papa. Es – es würde Schande über ihn bringen und ihn die Stellung kosten.«
    Tosendes Wutgeschrei schlug über dem Saal zusammen. Jemand brüllte außer sich: »An den Galgen mit ihr!«
    Der Richter schwang seinen Hammer, verlangte nach Ruhe und Ordnung und mußte einige Minuten warten, ehe er fortfahren konnte. »Seine Stellung?« Er runzelte die Stirn und sah Valentine verständnislos an. »Welche Stellung?«
    »Er verdient sehr viel Geld mit Armeeverträgen«, erklärte Valentine.
    »Beschafft von General Carlyon?«
    »Ja, Sir.«
    »Das hat deine Mutter gesagt? Vergiß nicht, daß du dich ganz präzise ausdrücken mußt.«
    »Ja – genauso hat sie’s gesagt.«
    »Und du bist absolut sicher, daß deine Mutter wußte, was der General mit dir trieb? Du hast ihr alles erzählt?«
    »Aber ja! Ich hab’s ihr erzählt! Wirklich!« Er schluckte heftig, konnte seine Tränen jedoch nicht mehr unter Kontrolle halten.
    Der im Raum schwelende Zorn war derart stark, daß er beinahe Gestalt annahm.
    Maxim Furnival saß kerzengerade da, das Gesicht zu einer Totenmaske erstarrt. Louisa bewegte keinen einzigen Muskel, mit glühendem, stählernem Blick stierte sie vor sich hin, die Lippen zu einem schmalen, haßerfüllten Strich zusammengepreßt.
    »Gerichtsdiener!« sagte der Richter in gefährlich leisem Ton.
    »Nehmen Sie Louisa Furnival in Gewahrsam. Es werden einige Entscheidungen hinsichtlich Valentines künftigen Verbleibs vonnöten sein. Vorläufig ist es wohl das beste, er bleibt bei seinem Vater, der ihm soviel Trost wie möglich spendet.«
    Gehorsam eilte ein hünenhafter Mann mit glänzenden Knöpfen herbei und zwängte sich durch die Reihen bis zu dem Platz, wo Louisa saß. Ohne viel Federlesens und die geringste Spur Barmherzigkeit packte er sie, zog sie hoch und schleifte sie durch die Reihe zurück und über den schmalen Durchgang zum Saal hinaus; sie stolperte, vergeblich nach ihren Röcken greifend, hinter ihm her.
    Maxim wollte aufspringen, wurde sich dann aber der Fruchtlosigkeit jedweder Bemühung jäh bewußt. Es war ohnehin eine leere Geste. Seine ganze Haltung drückte seinen Ekel vor ihr aus, verriet die Erkenntnis, daß alles zerstört war, was er besessen zu haben geglaubt hatte. Seine einzige Sorge galt Valentine.
    Der Richter seufzte. »Mr. Rathbone, haben Sie noch weitere Fragen an den Zeugen, die unumgänglich sind?«
    »Nein, Euer Ehren.«
    »Mr.
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