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Macabros 059: Die menschenfressenden Schatten

Macabros 059: Die menschenfressenden Schatten

Titel: Macabros 059: Die menschenfressenden Schatten
Autoren: Dan Shocker
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Sie ging hinaus auf den Balkon und atmete tief die frische Luft
ein, die vom nahen Meer herüber wehte.
    Olivia Santieno, die siebenundzwanzigjährige Chilenin,
lächelte und summte leise ein Lied vor sich hin.
    Aus dem hellerleuchteten Haus hinter ihr drangen gedämpfte
Stimmen an ihr Ohr. Olivia wußte, daß dort Alfredo, ihr
Mann, noch in ein Gespräch verwickelt war. Es ging um
geschäftliche Dinge, und das interessierte sie nicht. Die Party
war zu Ende, alle Gäste gegangen, bis auf Mister
Greenich…
    Olivia seufzte. Aber das war immer so. Am Rande einer Geselligkeit
nutzte Greenich immer die Gelegenheit, das Angenehme mit dem
Nützlichen zu verbinden.
    Die Frau warf einen Blick ins Haus zurück und sah, daß
Alfredo an der Bar einen neuen Drink mixte. Die Musik war längst
verklungen. Die Stereoanlage hatte sich automatisch abgeschaltet.
    Olivia seufzte. Sie wollte etwas nach hinten rufen und scherzhaft
darauf aufmerksam machen, daß die Zeit für Geschäfte
am Montag wieder gegeben sei.
    Da hörte sie ein leises Rascheln.
    Aber es war doch windstill!
    Die Chilenin, die in einer feudalen Villa in Miami wohnte, hielt
den Atem an.
    »Hallo!« rief sie dann leise in den nächtlichen
Park. »Ist da jemand?«
    War noch ein Gast zurückgeblieben?
    Olivia Santieno rekapitulierte rasch. Sie konnte sich nicht daran
erinnern, sich von jemand etwa nicht verabschiedet zu haben. Aber man
konnte sich ja auch mal irren…
    Es währte nur eine Sekunde lang.
    Lautlos huschte etwas Dunkles über die hellerleuchtete
Hauswand.
    Die Frau schluckte. Das war unmöglich!
    Wie konnte ein Schatten sich bewegen, wenn es kein Objekt gab, das
sich wiederum gegen das Licht bewegte?
    »Alfredo!« Olivia konnte es nicht verhindern. Sie war so
sehr erschrocken, daß ihr der Schrei entfuhr.
    Wie von einer unsichtbaren Hand zurückgedrückt, wich sie
zur Balkontür aus.
    »Ja, meine Liebe? Was ist denn?« Alfredo Santieno war
fünfzehn Jahre älter als seine Frau. Seine Schläfen
waren bereits angegraut. Er war ein gutaussehender Mann,
selbstbewußt und erfolgreich. Mit seinen Maklerbüros, die
über das ganze Land verteilt waren, hatte er Millionen gemacht.
Wenn Santieno ein Objekt anbot, dann konnte es auch nur von
finanzkräftigen Kunden erworben werden. Zu diesen Kunden
gehörten Filmstars, Ölmillionäre und reiche
Sonderlinge, die das Ausgefallene suchten. Villen in den besten
Wohngegenden des Landes gehörten zu Santienos
Hauptverkaufsprogramm.
    Santieno trug zur dunklen Hose ein Dinnerjackett mit hellrosa Hemd
und dunkelroter Fliege.
    »Da war etwas, Alfredo.« Olivias Stimme klang wie ein
Hauch.
    »Da war etwas?« fragte er erheitert. »Ja, was war
denn da?« Er hielt das Ganze für einen Scherz seiner
attraktiven Gattin und war überzeugt davon, daß sie das
Ganze nur inszeniert hatte, um einen plausiblen Grund zu haben, ihn
zu rufen. »Greenich geht gleich«, wisperte er. »Ich
verspreche es dir.«
    »Darum geht es mir nicht, Alfredo. Ich habe einen Schatten
gesehen.« Sie deutete auf die Hauswand. »Da, genau neben
dem Fenster! Er war riesengroß.«
    Alfredo Santieno legte den Arm um die nackten Schultern seiner
Frau. »Wir haben einen sternenklaren und mondhellen Himmel. Es
wird der Schatten eines Flugzeuges gewesen sein, meine
Liebe.«
    »Es war nicht der Schatten eines Flugzeugs, Alfredo«,
erwiderte die Frau erregt. »Glaubst du, daß ich mich dann
so aufführen würde?« Er merkte, wie die Haut unter
seiner Hand sich zusammenzog, wie sich auf Olivias Körper eine
Gänsehaut bildete. »Der Schatten – sah aus wie eine
riesige, nach mir greifende Hand. Und du wirst es mir nicht glauben,
Alfredo: für einen Moment hatte ich den Eindruck, als ob diese
Hand – mich berührt hätte…«
     
    *
     
    Sie wollte noch etwas sagen, als sie erneut zusammenfuhr.
    »Alfredo! Da!« Der Schrei fuhr aus ihrer Kehle.
    Olivia Santieno riß die Hand nach vorn und deutete in den
Park.
    Der Makler wirbelte herum und starrte angestrengt in die
angegebene Richtung. Im Blattwerk der alten Eichen raschelte es
leise, als ob ein Windhauch in den Wipfeln spiele. Dann herrschte
wieder Stille.
    »Ich kann nichts sehen, Olivia.«
    Sie fuhr sich verwirrt über die Augen und strich mit einer
fahrigen Bewegung einige Haarsträhnen aus der Stirn. »Ich
träume doch nicht, Alfredo. Ich weiß, was ich gesehen
habe… Da ist etwas.«
    »Ich werde nachsehen…«
    Santieno war ein Mann schneller Entschlüsse.
    Gerade in dem Augenblick, als er das sagte, kam Mister
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