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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat
Autoren: Anne Perry
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wußte davon.«
    Nun war Lovat-Smith doch überrascht.
    Es raschelte und murmelte im Saal. Felicia Carlyon beugte sich weit vor, um auf die Stelle hinunterzustarren, wo Hester saß kerzengerade und bleich. Selbst Alexandra drehte sich um.
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz«, sagte Lovat-Smith, der seine Geistesgegenwart in Windeseile zurückgewann. »Und wer ist bitte diese Hester Latterly? Haben wir den Namen im Verlauf des Prozesses schon einmal gehört? Ist sie eine Verwandte? Oder eine Hausangestellte vielleicht? Ach ja, ich erinnere mich – sie ist die Person, bei der Mrs. Sobell sich nach einem Anwalt für die Angeklagte erkundigt hat. Wären Sie wohl so freundlich, uns zu verraten, woher besagte Miss Latterly ihr Wissen über dieses absolute Familiengeheimnis bezog, von dem nicht einmal Ihre Mutter Kenntnis hatte?«
    Damaris wich seinem Blick in keiner Weise aus.
    »Ich weiß es nicht. Ich habe sie nicht gefragt.«
    »Aber Sie haben es für bare Münze genommen?« Lovat-Smiths Körper drückte von Kopf bis Fuß seine Ungläubigkeit aus. »Ist sie eine Expertin auf dem Gebiet, daß Sie sie beim Wort nehmen ohne auch nur den geringsten Beweis? Einfach auf ihre bloße Behauptung hin, gegen besseres Wissen, trotz aller Liebe und Loyalität Ihrer Familie gegenüber? Das ist wahr lieh bemerkenswert, Mrs. Erskine.«
    Aus der Menge löste sich ein leises Grollen. Jemand rief vernehmlich: »Verräter!«
    »Ruhe!« befahl der Richter grimmig, dann lehnte er sich zum Zeugenstand vor. »Mrs. Erskine? Es bedarf wirklich einer Erklärung. Wer ist diese Miss Latterly, daß Sie ihr bezüglich einer solch ungeheuerlichen Anschuldigung blindlings glauben?«
    Damaris sah erst ihren Mann an, ehe sie antwortete, und als sie es tat, richtete sie das Wort an die Geschworenen, nicht an Lovat-Smith oder den Richter.
    »Miss Latterly ist eine gute Freundin, der die wahren Hintergründe dieses Falls sehr am Herzen liegen. Sie sprach mich auf die Entdeckung an, die ich an dem Abend gemacht habe, als mein Bruder starb – die mich sehr mitgenommen hat, was zu keiner Zeit in Frage gestellt worden ist. Sie dachte, es wäre etwas anderes gewesen, etwas, das jemandem großes Unrecht zugefügt hätte, also war ich um der Gerechtigkeit willen gezwungen, ihr die Wahrheit zu sagen. Da sie mit ihrer Annahme bezüglich Cassians Mißbrauch recht hatte, sah ich keinen Grund, es zu leugnen, und fragte sie auch nicht, woher sie es wußte. Es war mir viel zu wichtig, ihren ersten Verdacht zu zerstreuen, um überhaupt auf die Idee zu kommen.«
    Sie richtete sich etwas mehr auf und sah plötzlich, vielleicht zum erstenmal, unfreiwillig kämpferisch aus. »Und was die Loyalität meiner Familie gegenüber betrifft – wollen Sie mir etwa zum Lügen raten? Hier, an diesem Ort, unter Eid vor Gott? Um sie vor dem Gesetz und den Konsequenzen ihrer Untat an einem hilflosen, verwundbaren Kind zu bewahren? Soll ich eine Wahrheit verschleiern, dank welcher Alexandra womöglich Gerechtigkeit widerfährt?«
    Lovat-Smith blieb nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten, und er tat es mit Würde.
    »Selbstverständlich nicht, Mrs. Erskine. Wir haben Sie lediglich um eine Erklärung gebeten, und die haben Sie uns gegeben. Vielen Dank – ich habe keine weiteren Fragen an Sie.«
    Rathbone erhob sich halb von seinem Platz. »Ich auch nicht, Euer Ehren.«
    »Sie dürfen den Zeugenstand verlassen, Mrs. Erskine«, sagte der Richter.
    Das ganze Gericht verfolgte, wie sie die Stufen hinuntertrat, den winzigen Freiraum vor den Tischen der Anwälte durchquerte, sich ihren Weg durch die Sitzreihen zur Galerie hinauf bahnte und ihren Platz neben Peverell wieder einnahm, der automatisch aufsprang, um sie in Empfang zu nehmen.
    Ein langgezogener Seufzer erscholl, als sie sich hinsetzte. Felicia ließ sie mit Absicht links liegen. Randolf schien jenseits von Gut und Böse. Edith streckte einen Arm aus und drückte beruhigend ihre Hand.
    Der Richter blickte auf die Uhr.
    »Haben Sie viele Fragen an Ihren nächsten Zeugen, Mr. Rathbone?«
    »Ja, Euer Ehren. Von seiner Aussage könnte eine Menge abhängen.«
    »Dann wird die Verhandlung auf morgen früh vertagt.«
    Monk kämpfte sich durch die drängelnde, aufgeregte Menge hinaus, vorbei an schubsenden Reportern, Neugierigen, für die kein Platz mehr im Gerichtssaal gewesen war und die nun Fragen in den Raum brüllten, und unzähligen kleinen Grüppchen, in denen hektisch debattiert wurde. Das Stimmengewirr war
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