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Wiedersehen in Kairo

Wiedersehen in Kairo

Titel: Wiedersehen in Kairo
Autoren: Jutta Ahrens
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Wiedersehen in Kairo
    Der goldbetresste Portier mit dem roten Fez auf dem Kraushaar öffnete beflissen die großen Schwingtüren. St. Jones blieb kurz auf dem Treppenabsatz stehen und atmete die vertraute weiche Luft Ägyptens. Er bereute es nicht, dass er den Auftrag der Eisenbahngesellschaft angenommen hatte, als Berichterstatter nach Kairo zu gehen. Ein wenig hatte er sich vor der Rückkehr gefürchtet, und jetzt war es wie ein Nachhausekommen. Nach Beendigung der Sitzung war er förmlich geflohen aus dem stickigen Saal mit den schweren Samtvorhängen und den weichen Sesseln, in denen seine Landsleute versanken und mit wichtigen Gesichtern dünne Zigaretten rauchten. Einige von ihnen hatte er flüchtig skizziert – Gesichter, die ihm plötzlich fern und fremd erschienen waren.
    Während seine Landsleute die Hotelbar belagerten, zog es St. Jones zu den vertrauten Gerüchen und Geräuschen der nächtlichen Stadt. Der Portier lächelte, dabei entblößte er ein prächtiges Gebiss. »Sie wollen eine Nacht in Kairo? Ich rufe eine Kutsche, Sir.«
    St. Jones schüttelte den Kopf. »Danke, nicht nötig, ich will zu Fuß gehen.«
    Der Portier schwieg verblüfft. Ein Engländer, der nachts zu Fuß durch Kairo gehen wollte und der zudem in fließendem Arabisch antwortete. Die meisten Ausländer waren zu arrogant oder zu bequem, die Landessprache zu lernen. Sie erwarteten selbstverständlich, dass ein Einheimischer, der etwas auf sich hielt, Englisch oder Französisch sprach. Der Portier verbeugte sich tiefer als gewöhnlich. »Bitte geben Sie Acht, mein Herr. Leider gibt es viele Betrüger und Diebe in unserer schönen Stadt, und die Polizei kann nicht überall sein.«
    St. Jones lächelte flüchtig. »Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
    Als er sich etwas später im Gedränge der Souks treiben ließ, bereute er es, seiner ursprünglichen Eingebung nicht gefolgt zu sein, sich in die Landestracht zu kleiden. Sein heller Leinenanzug und der Tropenhelm machten ihn für jeden sichtbar zum Ausländer und somit zur Beute der Händler. Kaum ein Teppich- oder Schmuckverkäufer, der ihn unbehelligt ließ. St. Jones fühlte sich gezupft, gestoßen und in mehreren Sprachen bedrängt, einmalige Gelegenheiten, fast geschenkt, zu erwerben. St. Jones schimpfte sich einen Narren. Ich wusste nicht, dass es so schlimm geworden ist, dachte er. Vielleicht sind die vielen Fremden daran schuld, die nach dem niedergeschlagenen Mahdi-Aufstand ins Land geströmt sind.
    Die Begegnung mit einer vermeintlich vertrauten Welt war ihm rasch verleidet. Er hoffte, am Ende einer der verwinkelten Gassen auf eine Hauptstraße zu stoßen, und kämpfte sich heldenhaft von Stand zu Stand, mal auf Englisch, mal auf Arabisch fluchend.
    Plötzlich war es um ihn dunkel und still. Er befand sich auf einem kleinen Platz vor einer Moschee. Hier war kein Mensch. Dankbar atmete St. Jones durch und setzte sich auf die Stufen, um sich auszuruhen. Das Geräusch der Souks war hier nur ein entferntes Summen. Er schüttelte den Kopf und tastete seine Taschen ab. Fünf Jahre haben mich mehr entfremdet, als ich wahrhaben wollte. Ich bin durch die Souks gestolpert wie ein Neuling.
    Da hörte er hinter sich eine Stimme leise auf Arabisch sagen: »Möchten Sie Opium kaufen?«
    St. Jones drehe sich um. Aus dem Türschatten der Moschee löste sich die Gestalt eines Arabers. Seine Lautlosigkeit erschreckte St. Jones. Der Mann hatte ihm an dieser einsamen Stelle die Kehle durchschneiden können. St. Jones erhob sich, wich einen Schritt zurück und verfluchte sich für seine Unvorsichtigkeit. Was sollte er sagen? Am besten, er verschwand jetzt so schnell wie möglich, da fuhr der Araber in singendem Tonfall fort: »Gute Ware, macht schöne Träume.«
    St. Jones zuckte die Achseln, als verstehe er nicht, und machte ein paar Schritte zu der Gasse hin, aus der er gekommen war. Wie ein Schatten blieb der Araber an seiner Seite. »Inglizi? Faransi?«
    »Engländer«, gab St. Jones unwirsch zur Antwort. »Hören Sie, lassen Sie mich in Ruhe, ich kaufe nichts.«
    »Kaufe einen Traum, Engländer. Nur zehn Piaster.«
    St. Jones blieb stehen. Die Stimme schmeichelte, sie war weich, und plötzlich war der Fremde in akzentfreies Englisch verfallen. »Sie haben mich also verstanden«, gab St. Jones grob zurück. »Bitte gehen Sie und belästigen Sie mich nicht, sonst …« Er unterbrach sich rasch, weil es nichts gab, womit er dem Händler drohen konnte. Der Araber schien das zu wissen. Aus
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