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Wiedersehen in Kairo

Wiedersehen in Kairo

Titel: Wiedersehen in Kairo
Autoren: Jutta Ahrens
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haben helle Augen, und es war dunkel. »Alle Engländer sammeln solche Dinge.« Beinahe spöttisch hatte das geklungen.
    St. Jones warf sich im Bett herum. Miriam hatte gesagt, dass David tot ist. Hat sie gelogen? Ist es möglich, dass mir heute David als ein Schatten seiner selbst begegnet ist, oder hat mich der Wunsch genarrt, unter den unzähligen verborgenen Gesichtern der Souks sein Gesicht zu finden?
    Erst in den frühen Morgenstunden fand St. Jones Schlag. Er versäumte das Frühstück, den Empfang des Khediven und die anschließende Sitzung. Er erwachte um die Mittagszeit. Schläfrig blinzelte er die bräunliche Fotografie auf seinem Nachttisch an. David? St. Jones rieb sich die Augen. Die Fotografie zeigte seine verstorbene Frau Rachel. Macht mich dieses Land verrückt? Dachte er verstört. Sehe ich nur noch David? Was ist bloß los mit mir? David war mein Freund, aber der Mann ist seit fünf Jahren tot. Ich bin doch nicht nach Kairo gekommen, um Geister der Wüste zu beschwören.
    Er fuhr aus dem Bett, merkte, dass er die wichtigen Termine dieses Tages versäumt hatte, und läutete nach dem Boy. Etwas später verzehrte er schlecht gelaunt sein Frühstück auf dem Zimmer und überlegte eine Entschuldigung für sein Ausbleiben. Dabei blieb es. Eine halbe Stunde später trug er eine Djellaba über seinem Anzug und ein Kopftuch. Der große Spiegel im Foyer des Hotels zeigte einen hochgewachsenen Nomaden, der mit raschen Schritten dem Ausgang zustrebte. St. Jones warf keinen Blick hinein.
    Die meisten Läden waren jetzt geschlossen, nur wenige Menschen auf den Straßen. St. Jones irrte durch die verlassenen Souks, sinnlos und doch getrieben von einer seltsamen Unrast. Was hoffte er zu finden? Einen Mann mit hellen Augen, wahrscheinlich opiumsüchtig. Engländer, heruntergekommen, verstört. Und das alles wegen einer Ähnlichkeit, einer Erinnerung.
    Schuld!,
wisperte es in ihm. Schuld! St. Jones hastete durch die Gassen, er hielt sich im Schatten, aber die Hitze setzte ihm zu, und er ging langsamer. Ich habe ihn verlassen, ich hätte Abschied nehmen müssen, auch von dem Toten. Natürlich gibt es keine Geister, aber Dämonen – oder was trieb mich hierher?
    Da war sie plötzlich! Die Moschee, wo er dem Fremden begegnet war. Sie musste es sein. Der kleine Platz, die Stufen. St. Jones sah sich um. Einige Männer schliefen oder dösten im Schatten der Moschee. Sie waren ungepflegt und schmutzig, ihr Zuhause schien die Straße zu sein. In der Türnische hockte ein junger Bursche, unter seinem gestreiften Kittel ragten schmutzige, schwielige Füße hervor, ein speckiges Kopftuch hatte er verwegen um den Kopf geschlungen. St. Jones setzte sich neben ihn und erhielt einen unfreundlichen Blick.
    »Salam. Ziemlich heiß heute.« St. Jones wusste, dass er nicht geistreich war, aber ein Engländer begann eben jedes Gespräch mit dem Wetter. Der junge Mann musterte ihn misstrauisch und schwieg.
    St. Jones sagte auch nichts mehr, jedenfalls eine ganze Weile. Um diese Zeit hielt man gewöhnlich kein Schwätzchen.
    »Ich suche einen Mann«, sagte er schließlich. Sein Nachbar zeigte keine Regung.
    »Einen Engländer, der sich wie ein Einheimischer kleidet. Er handelt mit …« St. Jones zögerte. »Mit Altertümern.«
    Der junge Mann blinzelte.
    »Ich muss ihn finden, es ist wichtig.«
    Der andere hob andeutungsweise die Schultern. Für ihn war es nicht wichtig. Jedenfalls nicht, bis St. Jones eine Pfundnote aus seinem Gewand zauberte. Der junge Mann betrachtete sie. »Ein Engländer?« wiederholte er gedehnt. »Vielleicht kenne ich ihn, vielleicht auch nicht.«
    St. Jones holte eine weitere Pfundnote hervor. »Ich bin sicher, du wirst dich erinnern.«
    Jetzt grinste der Bursche. »Für fünf Pfund wird Allah mich sicher erleuchten.«
    St. Jones nickte. »Wenn du mir sagst, wo ich ihn finde, gehören sie dir.«
    Die Scheine wechselten den Besitzer. »Du meinst sicher den Opiumraucher? Er hat seinen Schlafplatz hinter der Moschee in dem kleinen Garten.«
    »Seinen Schlafplatz? Hat er denn kein Zuhause?«
    »Das weiß ich nicht. Er schläft nicht immer dort, aber oft.«
    »Weißt du seinen Namen?«
    »Nein. Er ist ein sehr schweigsamer Mann, aber er spricht besser Arabisch als meine Brüder.«
    St. Jones bedankte sich. Hinter der Moschee wuchsen einige kümmerliche Palmen und wilde Feigen. St. Jones zählte wenigstens acht Männer, die sich im Schatten zusammengerollt hatten. Er sah sich ratlos um.
    Ganz hinten an der Mauer,
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