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Wiedersehen in Kairo

Wiedersehen in Kairo

Titel: Wiedersehen in Kairo
Autoren: Jutta Ahrens
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die Erbsünde, sondern die Freiheit durch die Frau in die Welt gekommen.
    Denn auch der Mut, sich gegen Gott aufzulehnen, dieses neue Selbstbewusstsein, das den Menschen erst zum gottähnlichen Wesen macht, waren ihr von Gott verliehen. Von wem sonst? Hat Gott sich also durch seine eigene Schöpfung selbst ausmanövriert? Selbst ein Agnostiker wie ich traut Gott mehr zu. Wenn er dem Menschen Selbstbewusstsein und Mut verliehen hat, so muss er damit einen Zweck verfolgt haben. Er gab dem Menschen von seiner eigenen göttlichen Kraft, die ihn befähigte, sein Leben kühn und frei selbst zu meistern. Das hätte er im Paradies weder gekonnt noch nötig gehabt. So gesehen, war der Apfelgenuss keine Sünde, sondern ein menschlicher Fortschritt. Ein Fort-Schreiten von Gott, ja. So wie ein Kind dem Elternhaus entwächst. Welcher Vater will denn, dass seine Kinder ihm ewig am Rockzipfel hängen? Es muss eigene Wege gehen.
    Hatte Gott ein verstandes- und vernunftbegabtes Wesen geschaffen, nur um es im paradiesischen Zustand zu belassen, wo alle diese Gaben nichts wert sind, weil er sie nie benutzen muss? Woran hätte Adam seinen Verstand denn schärfen sollen? Womit seinen Geist erweitern? Und wozu? Für einen Menschen ist das Paradies die Hölle der Langeweile. Und wenn er sich nicht gelangweilt hat, weil er nichts anderes kannte, dann war er kein höheres Wesen, sondern glich dem Tier, das froh ist, wenn es zu essen und zu trinken hat und eine Behausung, wo es Schutz findet. Es kann mithin nur in Gottes Absicht gelegen haben, die Menschen Gut und Böse erfahren zu lassen und sie dann aus dem Paradies zu jagen, weil sie es darin gar nicht mehr ausgehalten hätten.
    Draußen mussten sie zwar arbeiten und allerlei Lasten tragen, aber es begann auch der Weg menschlichen Erfolgs und menschlicher Triumphe. Leider auch der menschlichen Irrtümer, des menschlichen Größenwahns, gewiss. Das ist stets der Preis, den man für die Freiheit zahlen muss. Entweder man hängt an göttlichen Marionettenfäden, oder man ergreift die Fackel des Prometheus. Nach seinem Rauswurf begann doch erst der Aufstieg des Menschen. Und den Menschen dabei zu begleiten, muss auch für Gott weitaus interessanter gewesen sein, oder nicht? Die Friede-Freude-Eierkuchen-Pampe des Paradieses war dem menschlichen Streben unangemessen.
    Betrachten wir nun den Menschen nach seinem Rausschmiss. Geht es ihm schlecht? Nein. Ist Gott sauer auf ihn? Nein. Er gibt dem ungehorsamen Menschen noch obendrein als Belohnung die Herrschaft über die Erde – seid fruchtbar und mehret euch und macht euch die Erde untertan. Das spricht dafür, dass Gott den Apfelgenuss nicht als Sünde, sondern als Fortschritt betrachtet hat. Leider hat er dann den Bock zum Gärtner gemacht. Jeder Personalchef würde gefeuert, wenn er einen so unfähigen Manager einstellen würde, der den ganzen Laden ruiniert. Gott tat es, obwohl er im Voraus wusste, dass der Mensch sich zum Krebsgeschwür der Erde entwickeln würde und damit nicht nur sich selbst, sondern auch der übrigen Schöpfung unermessliches Leid zufügen wird. Lebewesen, die nicht vom Apfel gegessen haben.
    Hatte die Erde überhaupt einen Herrscher wie den Menschen nötig? Das Gegenteil ist der Fall. Jeder weiß, dass die Tier- und Pflanzenwelt dort am besten gedeiht, wo sie sich selbst überlassen ist. Pflanzen und Tiere lebten bereits Millionen von Jahren vor dem Menschen auf der Erde und ohne ihn viel vortrefflicher. Wo immer der Mensch aufgetaucht ist, hat er die Erde als sein persönliches Eigentum betrachtet und sie ausgebeutet. Er hat sie behandelt, als habe er noch einige Erden in Reserve. Seid fruchtbar und mehret euch wird heute angesichts von sechseinhalb Milliarden Menschen zum Fluch.
    Irgendwie frage ich mich, wem kann ich das alles in die Schuhe schieben?
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