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Wiedersehen in Kairo

Wiedersehen in Kairo

Titel: Wiedersehen in Kairo
Autoren: Jutta Ahrens
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kraulen. »Ich kann doch nicht zurück«, fuhr er zögernd fort, »sie werden furchtbar schimpfen.«
    Kemal schüttelte den Kopf, doch Manolis konnte es nicht sehen. »Nein, sie werden sich freuen, dass du wieder da bist – du wirst sehen.« Kemal schwieg, und Manolis kam es so vor, als säße Kemal ein Kloß im Hals. Manolis wurde nachdenklich, beinahe traurig. Schnell schob er den letzten Bissen in den Mund und dachte, wie behaglich es war, satt zu sein. Zu Hause wurde er das immer. Und Kemal? Er sah mager aus, und sie waren viele, hatte er gesagt. Doch Manolis mochte ihn nicht weiter fragen. »Wir wollen es überschlafen«, sagte er und gähnte absichtlich, obwohl er gar nicht mehr müde war.
    »Ja gut«, sagte Kemal und rollte sich auf die Seite. Seine ruhigen Atemzüge verrieten Manolis bald, dass er eingeschlafen war. Auf seinem Bauch lag die Hundeschnauze. Manolis beneidete Kemal um seinen Schlaf. Wie selbstsicher er war und wie vernünftig. Er selbst dagegen war so kindisch. Manolis konnte nicht wissen, dass ein hartes Leben Kemal eine unbeschwerte Kindheit vorenthalten hatte.
    Der Morgen war kühl. Manolis hatte nicht geschlafen. Er stand auf und reckte sich. Der Hund hob sofort den Kopf. Manolis lächelte ihm zu, als verstünde der Hund. Beruhigend war es, diese beiden Begleiter zu haben. Manolis wäre jetzt nicht gern allein gewesen. Er rüttelte Kemal an der Schulter. »Wach auf!«
    Der war sofort wach, genau wie sein Hund. Er lächelte überlegen. »Gehen wir erst, oder essen wir erst?«
    »Erst essen«, sagte Manolis.
    Der Hund hockte vor Manolis, denn der warf ihm die besten Bissen zu. Kemal beobachtete die beiden. »Du behandelst deine Freunde gut, was?«
    Irritiert sah Manolis auf. Dann lachte er verlegen. »Hast du schon überlegt, wie es weiter geht?«
    Kemal nickte. »Wir gehen nach Hause. Zur dir nach Hause.«
    Manolis schüttelte abwehrend den Kopf, aber Kemal achtete nicht auf ihn. Er stopfte die Essensreste in seine Tasche und stand auf. Manolis blieb ihm eine Erwiderung schuldig. Ergeben folgte er Kemal. Erst, als sie die Maisfelder erreichten, bereute Manolis seine Folgsamkeit. Was würden seine Freunde aus dem Dorf sagen, wenn sie ihn in Begleitung eines türkischen Jungen sahen?
    Kemal drehte sich zu ihm um. »Geh du jetzt voran, zeig mir dein Haus.«
    Manolis zögerte, doch dann schämte er sich. Tapfer lächelnd schritt er neben Kemal quer über den Marktplatz. Als er sich dem väterlichen Hof näherte, ging er langsamer, das flaue Gefühl war wieder da. Er blieb am Zaun stehen und spähte vorsichtig in den Hof. »Hier ist es«, murmelte er.
    Kemal sah sich prüfend um. »Gefällt mir gut. Sind deine Eltern nett?«
    Manolis nickte stumm.
Nett – ja. Aber heute?
Da raste plötzlich ein braun-weiß geflecktes Etwas freudig bellend auf den Zaun zu und sprang an ihm hoch. 
    »Perikles!«, schrie Manolis überrascht. Er riss das Tor auf, und Perikles riss Manolis bei seiner stürmischen Begrüßung fast um. »Perikles, du bist ja wieder da!«, rief Manolis und knuffte ihn übermütig.
    Kemals Hund stand schwanzwedelnd abseits, unbewegt Kemal. Er war fremd hier, seine Überlegenheit war einer unsicheren Erwartung gewichen. Da stand eine Frau neben Manolis und legte ihm die Hand auf den Scheitel. »Mein Junge«, sagte sie nur.
    Manolis wurde dunkelrot. »Mama – ich dachte, ihr hättet – ich dachte, Perikles wäre …«
    »Schon gut, du bist ja wieder da. Im Nachbardorf gibt es eine Hündin, die hat Perikles besucht.« Die Mutter lächelte. »In einer solchen Angelegenheit bleibt ein Mann gern lange aus. – Doch wer sind denn die beiden?« Sie wies auf Kemal und den kleinen Hund.
    »Der Hund, der muss nun auch hier bleiben!«, stieß Manolis eifrig hervor.
    Als hätte der verstanden, stolzierte er auf Perikles zu, und nach Hundeart beschnüffelten sie sich. Offensichtlich hatte Perikles dem anderen vorgeschlagen, sich gemeinsam das Gelände anzusehen. Die Hunde verschwanden im Hof. Manolis’ Mutter lächelte. »Perikles hat schon entschieden. Hoffentlich ist dein Vater nicht anderer Meinung. Und – wer ist das?«
    Manolis sah Kemal an. Der starrte stumm auf seine nackten Zehen. »Das ist Kemal, mein Freund. Morgen spielen wir zusammen Fußball, nicht?«
    Kemal sah von seinen Zehen hoch. In seinen ernsten Augen stand ein Glänzen, und ein schüchternes Lächeln machte seine Züge weich. »Arkadaschim«, flüsterte er in seiner Sprache. »Mein Freund.« Dann macht er eine Kopfbewegung
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