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Wiedersehen in Kairo

Wiedersehen in Kairo

Titel: Wiedersehen in Kairo
Autoren: Jutta Ahrens
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du mich hierher gelockt?«
    Kemal sah Manolis verwundert an. »Ich dachte, wenn dein Hund fort ist, schenke ich dir eben einen anderen. Und der hier …« Er kraulte ihn zärtlich hinter dem Ohr: »Der ist doch wirklich lieb. Und stark wird er auch mal, du wirst sehen.«
    »Ich will keinen anderen Hund, behalte deinen Bastard!« Manolis wandte sich heftig ab und rannte die Gasse zurück. Als er sich umdrehte, sah er, dass Kemal und der Hund ihm folgten. Er ging langsamer.
    »Wohin willst du jetzt?«, schrie Kemal. Er holte ihn ein. »Sei mir nicht böse, ich habe es gut gemeint. Soll ich dir helfen, deinen Hund zu suchen?«
    Manolis schüttelte den Kopf und schwieg. Der kleine Hund lief ihm schwanzwedelnd voraus.
    »Wohin gehst du jetzt?«, fragte Kemal.
    »In die Berge.«
    »Ist dein Hund da oben?«
    »Nein, ich glaube nicht.« Zögernd rückte Manolis mit der Wahrheit heraus, dass er fortgelaufen war, weil er glaubte, dass sein Hund nicht mehr lebte. Kemal sah ihn ernst von der Seite an. Plötzlich drehte er sich um und rannte zurück. Der kleine Hund zögerte kurz, dann flitzte er Kemal hinterher.
    Manolis sah den beiden nach und dann hinauf zu den schroffen Hängen, die sich in der Dämmerung dunkel vom verblassenden Himmel abhoben. Er fluchte leise. Jetzt hätte er schon oben sein können bei den Schafhürden und schlafen. Stattdessen lief er durch die Gassen der Türken, mit denen er nichts zu tun haben wollte. Nein, auch nicht mit ihren Hunden!
    Da lief das wuschelige Bündel plötzlich vor seine Füße. Manolis sah sich um. Kemal schlenderte lächelnd heran. Seine Hände steckten im Bund seiner geflickten, kurzen Hosen, von seiner Schulter hing eine große, schwere Tasche.
    Manolis blieb stehen. »Hör zu, Kemal …« Zum ersten Mal nannte er ihn bei seinem Namen. »Ich will allein gehen.«
    »Allein ist nicht gut, oben ist es einsam. Essen gibt es auch nicht.« Er wies auf seine Tasche und grinste. »Hier drin ist alles, was wir brauchen.«
    Manolis fühlte einen leichten Druck im Magen. Was wollte der fremde Junge? In seiner Unsicherheit erwiderte er trotzig: »Ich nehme nichts von Türken. Gib es deinem Hund!«
    Kemal pfiff diesen zu sich und warf ihm einen Brocken zu. »Wenn der Hunger kommt, wirst du essen«, stellte er fest und setzte gelassen den Weg fort, den Manolis nehmen musste, und jetzt war es Manolis, der Kemal und dem Hund folgte.
    Fast unbemerkt war es Nacht geworden, das Lärmen der Zikaden verstummt. Kemal zog eine Taschenlampe aus seiner Tasche. Es zeigte sich, dass er den Weg gut kannte, denn er führte Manolis sicher bergan. Manolis überlegte, was er ohne Kemal getan hätte. An eine Taschenlampe hatte er nicht gedacht, auch seine Wegzehrung war kärglich gewesen. Er hatte seine Flucht von zu Hause erbärmlich geplant.
    Als sie die Schafhürden erreichten, war Manolis müde, zerschlagen und wütend auf sich selbst. Er ließ sich zu Boden fallen und stellte sich schlafend. Kemal raschelte mit etwas. Der Duft von Weißbrot, Schafskäse und Oliven stieg Manolis in die Nase. Der Hund schmatzte. Manolis wollte sich missmutig auf die andere Seite wälzen, da schob sich eine Hand zu ihm hinüber, und ein Kanten Brot mit Schafskäse zerstörte seinen Stolz. Er packte zu und stopfte das Brot in sich hinein. Manolis meinte, Kemals zufriedenes Grinsen zu sehen, doch Kemal grinste nicht. Er wartete, bis Manolis aufgegessen hatte, dann fragte er mit ruhiger Stimme: »Was wirst du morgen tun?«
    Manolis zuckte zusammen. Er hatte nicht die geringste Vorstellung vom Fortgang seiner Flucht. »Weiß noch nicht«, murmelte er.
    »Du wirst wieder nach Hause gehen«, stellte Kemal fest.
    »Willst du mir das vielleicht vorschreiben?« brauste Manolis auf.
    »Du wirst es tun, weil es so am besten ist«, kam es selbstsicher von Kemal.
    »Was weißt denn du?« Und nach einer Pause: »Du bist schließlich auch weggelaufen. Was sagen denn deine Eltern dazu?«
    Kemal antwortete nicht sofort. »Sie vermissen mich nicht«, sagte er schließlich leise. »Wir sind viele zu Hause, weißt du. Es fällt nicht auf.«
    Manolis horchte auf. Kemal hatte zum ersten Mal unsicher geklungen. Manolis konnte sich nicht vorstellen, dass man ihn daheim nicht vermissen könnte. »Gibst du mir noch etwas?«, fragte er, und diesmal ging es ihm leicht über die Zunge. Sofort reichte ihm Kemal noch ein Stück Brot mit Käse und ein paar Oliven. Der kleine Hund rutschte schnüffelnd an Manolis heran, und der begann, ihn abwesend zu
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