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Wiedersehen in Kairo

Wiedersehen in Kairo

Titel: Wiedersehen in Kairo
Autoren: Jutta Ahrens
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blätterten. Nur ich hatte keinen. Kennen Sie das Gefühl? Ich erinnerte mich, dass die Kataloge auf Umweltpapier am Eingang von einer Umweltorganisation angeboten wurden, und beeilte mich, einen für 9,80 Euro zu erstehen. Ich muss sagen, ich habe die Ausgabe nicht bereut. Übersichtlich war dort alles verzeichnet, was ich wissen musste. Welches Land gerade boykottiert wurde, welches Land politische Unterstützung brauchte, wo die Pflanzen mit verdünntem Strychnin gedüngt wurden und was die Verdauung förderte oder gemeingefährlich war. Auf den letzten beiden Seiten des hundertfünfzig Seiten starken Werkes waren die erlaubten Konsumgüter verzeichnet. Als Anreiz für träge Konsumenten gab es ein Punktesystem. Für 98 Reinheitspunkte bekam man eine Ado-Gardine. Volle hundert Punkte für das strahlendste Gewissen konnte allerdings niemand erreichen, weil es immer auch diese Grauzonen gab: Sollte man nun Tausende von afghanischen Bauern in den Ruin treiben oder doch Kokain kaufen?
    Ich setzte mich auf eine Bank und schloss meine beschämenden Bildungslücken. Als ich den Katalog durchgelesen hatte, wusste ich, dass ich mein zukünftiges Leben in den Griff kriegen würde. Eine Demo zog friedlich an mir vorüber: ‚Deutsche Rüstung sichert Frieden und Arbeitsplätze’. Die Leute mussten den Katalog gelesen haben. Ich nickte versonnen und ging nach Hause.
    Lieber Leser! Hätten Sie das gedacht? So leicht ist es, sein Scherflein beizutragen. Ich jedenfalls habe wieder ein gutes Gewissen. Selbstverständlich spendete ich das Futter meiner Katze sofort für ›Brot für die Welt‹ und sammelte für sie Abfälle aus den Mülleimern. Als ich später darüber belehrt wurde, dass sich aus unseren Mülleimern Obdachlose ernähren, ließ ich das Tier schmerzlos einschläfern. Seitdem sitzen auf meinem Sofa nur Plüschhunde und Steiffkatzen, die essen niemandem was weg und sch… äh koten nicht auf den Gehweg. Habe dabei darauf geachtet, dass sie nicht aus China kommen. Und seit Kurzem steht auf meinem Laternen-Parkplatz ein koreanisches Auto. Entwicklungshilfe für Ostasien.
    Machen Sie doch auch mit!
    Wer weit ausholt, so sagt man, beginnt bei Adam und Eva. Aber genau dort muss man ansetzen, denn mit diesem Schöpfungsmythos beginnt die hoministische, sprich die ausschließlich auf den Menschen bezogene Religion. Vorher erschuf Gott Sonne, Mond und Sterne, Pflanzen und Tiere, aber das hatte mit Religion noch nichts zu tun; Gott hat sie sozusagen als Kulisse gemacht und damit der Mensch etwas hatte, worüber er herrschen konnte. Aber davon später.

Eine kleine Paradiesgeschichte
    Obwohl selbst heutige Kirchenväter die Apfelgeschichte aus dem Garten Eden mehr als Gleichnis auffassen denn als wahres Ereignis, so muss sie doch sorgfältiger untersucht werden, als es einem bloßen Märchen zukäme, weil die kirchliche Lehre trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse immer noch auf diesem ersten Sündenfall basiert, ja in ihm eine unverzichtbare Grundlage des Glaubens sieht.
    Gott erschafft Adam aus einem Lehmkloß und haucht ihm Leben ein. Ein Schöpfungsmythos unter vielen. Was kann er uns modernen Menschen schon bedeuten? Kann man ihn nicht vernachlässigen? Keineswegs! Denn noch heute wirkt nach, was das Alte Testament ausgebrütet hat: Der erste Mensch war ein Mann! Wie viel männliche Selbstgerechtigkeit resultiert bis auf den heutigen Tag aus dieser chauvinistischen Schöpfungs-Saga: Mensch gleich Mann. Aus seiner Rippe schuf Gott dann die Frau. Ein Märchen? Gewiss, aber eins mit fürchterlichen Folgen für die Frau. Paulus, der ureigentliche Schöpfer des Christentums, leitete später daraus ab: Der Mann ist der Abglanz Gottes, die Frau ist der Abglanz des Mannes. Mit patriarchalischer Selbstbeweihräucherung begann es, wurde es in zweitausend Jahren Kirchengeschichte fortgesetzt, zementiert und verinnerlicht. Bis auf den heutigen Tag.
    Muss man noch erwähnen, dass Gott selbst männlich gedacht ist? Als Schöpfer, als Herr der Heerscharen, als Rächer, als Vater? Von dieser Männer verherrlichenden Doktrin ist die Kirche bis heute nicht abgerückt.
    Man sollte auch nicht meinen, sie sei vom Mythos Lehmkloß abgerückt. Spricht nicht der Pastor am Grab jedes Mal die tröstlichen Worte: Aus Staub bist du gemacht, zu Staub sollst du wieder werden? Nichts ist der Kirche zu verstaubt, um es nicht als ewige Wahrheit zu verkünden.
    Dass die Frau schon im Paradies der minderwertige Mensch war, erweist sich bald. Denn
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