Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Legionen des Todes: Roman

Legionen des Todes: Roman

Titel: Legionen des Todes: Roman
Autoren: Michael McBride
Vom Netzwerk:
I
     
    MORMON TEARS
     
    Die Zeit verging, aber nicht die Angst. Mit jedem neuen Tag, an dem die Sonne am Ufer des Großen Salzsees versank, rückte die letzte, alles entscheidende Konfrontation ein Stück näher, auch wenn sie nicht wussten, wann sie stattfinden würde, und jeder Sonnenaufgang schürte von neuem ihre tiefsitzende Angst, dass es heute so weit sein könnte. Zwei Tage waren vergangen seit der Schlacht mit dem Schwarm, mit Krieg und seiner Reptilienarmee. Zwei zermürbende Tage, während deren sie ständig den Horizont nach dem kleinsten Anzeichen von Bewegung abgesucht hatten, nur um sich alle paar Sekunden umzudrehen und nachzusehen, ob sich nicht irgendwer oder irgendetwas von hinten an sie heranschlich. Sie führten ein Leben unter den schwersten aller möglichen Bedingungen, und dennoch war es weit besser als die Alternative. Nachdem der erste Tag ereignislos vorübergegangen war, hatten sie mit dem Versuch begonnen, so etwas wie Normalität wiederherzustellen, auch wenn diese Normalität eher einem Theaterstück glich, das sie für sich selbst und für die anderen aufführten.
    Adam stand auf dem weißen Strand neben Phoenix, der nach Osten schaute, wie er es immer zu tun schien. Die Sonne hatte dem nuklearen Winter ein Ende gesetzt, und an den Sturm erinnerten nur ein paar kümmerliche Reste Schnee in den Felsspalten, wo die warmen Strahlen sie nicht erreichen konnten, und ein paar kleine Eisschollen, die noch vereinzelt auf dem See trieben. Es war alles andere als warm, aber zumindest hatte es aufgehört zu schneien, und auch der peitschende Wind schien sie vorübergehend in Ruhe zu lassen. Die Sonnenstrahlen auf ihren Gesichtern fühlten sich einfach göttlich an – dabei hatten sie bis vor kurzem noch befürchtet, den wärmespendenden Himmelskörper nie wiederzusehen.
    »Was wird jetzt als Nächstes geschehen?«, fragte Adam. »Wir wissen, dass noch mehr von diesen Wesen da draußen sind …«
    »Diesmal warten sie darauf, dass wir zu ihnen kommen.«
    »Und wenn wir ihren Wunsch einfach nicht erfüllen? Von mir aus können sie bis in alle Ewigkeit warten.«
    »Hier zu bleiben wäre Selbstmord. Zumindest dessen bin ich mir sicher.«
    »Wie lange bleibt uns also noch?«
    »Ich … ich weiß es nicht«, sagte Phoenix, und es war die Wahrheit. Seit der Schlacht hatte er nicht mehr geträumt, und seine Visionen waren sehr unklar und verschwommen gewesen. Phoenix wusste natürlich, warum, doch war er noch nicht bereit, es vor den anderen einzugestehen, denn die Veränderung, die mit ihm stattgefunden hatte, drohte ihn innerlich zu zerreißen. Er spürte natürlich, wie sehr sein Schweigen Adam beunruhigte, aber mit der Wahrheit würde er noch viel weniger zurechtkommen.
    Adam ging an den Rand des Sees, dessen Pegel wegen des geschmolzenen Schnees und Eises ein ganzes Stück angestiegen war, sodass die Wellen schon fast über ihren Deich, von dem es nur noch ein paar Meter bis zum Eingang der Höhle und ihrer unterirdischen Behausung waren, hinwegrollten. Wie tote Muscheln schwemmte die Brandung kleine Knochen heran, die letzten Überreste des Schwarms, deren Kadaver die geflügelten Pferde in die Tiefen des Sees hinabgezogen hatten. Jene Geschöpfe, auf die Adam und Phoenix jetzt warteten.
    Draußen auf dem See konnte er sie bereits sehen, wie sie mit ihren langen, stacheligen Hälsen die Wasseroberfläche durchstießen und verstohlen wie Seeschlangen immer näher kamen. Es war an der Zeit, nach Salt Lake City aufzubrechen, aber den Weg zu Fuß zurückzulegen kam nicht in Frage. Evelyns Pick-up war ohne Hinterräder zu nichts mehr zu gebrauchen, außerdem war der Tank vollkommen leer. Der Truck, den sie als Fundament für ihre brennende Straßensperre verwendet hatten, um den einzigen, von Westen durch die Berge führenden Zugang zu blockieren, war vollkommen ausgebrannt und lag unter einem riesigen Haufen verkohlten Holzes begraben. Sie konnten es sich nicht leisten, mehrere Tage wegzubleiben, schon gleich gar nicht, wenn die Zukunft so ungewiss war, also blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass sie die Amphibienpferde ein weiteres Mal als Reittiere benutzen konnten. Wie Phoenix es geschafft hatte, sie zu rufen, war ihm ein Rätsel, aber das traf auf so vieles in dieser neuen Welt zu, dass es leichter war, die Tatsachen einfach zu akzeptieren und zu tun, was zu tun war.
    Der Strand glich immer noch einem Schlachtfeld, vor allem da, wo sich unter Kriegs Todeszuckungen die Erde zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher