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Legionen des Todes: Roman

Legionen des Todes: Roman

Titel: Legionen des Todes: Roman
Autoren: Michael McBride
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das Pferd und hielt sich mit beiden Armen an dem Jungen fest, als fürchte er um sein Leben. Der Koloss hob seine Flügel, die aussahen wie die Fangarme einer Gottesanbeterin, und breitete sie zu ihrer vollen Spannweite aus.
    Der blasse Sonnenaufgang verfärbte sich von Rot zu Gold, und die anderen kamen aus der Höhle, um ihnen auf Wiedersehen zu sagen.
    »Sei vorsichtig!«, rief Evelyn, die sich wegen der tiefstehenden Sonne die Hand über die Augen halten musste.
    »Mehr als das«, erwiderte Adam und hätte Phoenix beinahe zwischen seinen Armen zerdrückt, als das Pferd plötzlich vorwärtssprang und sich dann mit weit gespreizten Flügeln fast senkrecht in die Luft erhob. Sie flogen hinaus auf den See, und Adam blickte noch einmal zurück über seine Schulter, um zuzusehen, wie sich ihre Freunde über den Strand verteilten und ihnen nachschauten, ohne zu winken, so ängstlich und angespannt waren sie.
    Ein Teil von ihm wünschte sich, er hätte dort bleiben können, wo es warm und einigermaßen angenehm war. Auch wenn sie in der Höhle nicht in Sicherheit waren, sie bot zumindest so etwas wie ein Zuhause, was weit besser war, als einfach hinaus ins Unbekannte zu fliegen.
    Doch sie mussten es tun. Sie brauchten etwas, wo sie sich besser verteidigen konnten. Und so dankbar er auch für Evelyns Seetangeintopf war, von dem sie sich die ersten beiden Tage ernährt hatten – sie brauchten nahrhafteres Essen.
    Er warf einen letzten Blick auf seine Freunde, die unten auf dem Strand immer kleiner wurden, dann schaute er endgültig nach vorn in Richtung der aufgehenden Sonne und zu dem Ort, zu dem sie mussten, der irgendwo darunter lag. Er schickte ein stummes Gebet zum Himmel, dass er und Phoenix zurückkommen würden und die anderen dann noch am Leben wären.

II
     
    Jill ließen die Bilder ihrer letzten Vision von den Gosiute nicht mehr los. Sie waren da, wenn sie aufwachte und wenn sie einschlief, blitzten hinter ihren Augenlidern auf, sobald sie nur zwinkerte. Mit Worten ließ sich die Dankbarkeit gar nicht ausdrücken, die sie den Gosiute gegenüber empfand, dafür, dass sie ihr Leben dem Sturm geopfert hatten, um ihnen eine Überlebenschance zu geben. Sie fühlte sich schuldig, weil sie dieses Opfer auf sich genommen hatten. Schließlich war sie nur ein junges Mädchen, hatte gerade einmal den ersten, kleinen Schritt ins Erwachsensein gemacht. Die Tatsache, dass sie ihrem Leben derart große Bedeutung beigemessen und dafür ihren eigenen Stamm bereitwillig geopfert hatten, war eine schwere Last. Es war nichts Besonderes an ihr, zumindest nichts, das Jill hätte gelten lassen. Es gab so viele andere, die klüger waren, hübscher oder wichtiger für das Fortbestehen der Welt, die sie gekannt hatte. Jill konnte sich nichts vorstellen, was sie hätte dazu beitragen können, den Weg in diese neue, völlig offene Zukunft zu bewältigen, das so viele Tote gerechtfertigt hätte. Aber das war es gar nicht, was sie an ihrer Vision so belastete. Es war das Bild, wie sie ihr eigenes Kind auf den Armen hielt, es waren die letzten Worte ihrer geisterhaften Vorfahrin:
    Würdest du alles für dieses Kind opfern?
    Wieder und wieder hallten diese Worte durch ihren Kopf und ängstigten sie zu Tode. Was in aller Welt sollte sie für dieses Kind opfern, das noch nicht einmal geboren war? Ihr Leben? Zumindest war das das Einzige, das ihr einfiel. Sie würde ihr Leben für ihr Kind opfern müssen, so wie ihre Vorfahren es für sie getan hatten. Aber war sie auch stark genug, um es tatsächlich zu tun, wenn die Zeit gekommen war? Es war nur wenige Monate her, da hatte sie noch im Haus ihrer Eltern auf ihrem Bett gesessen und mit sich gerungen, ob sie Snuffles, ihren fetten Basset, mit aufs College nehmen sollte. Bei Gott, sie hatte sogar geweint deswegen! Und am Ende hatte sie ihn mitgenommen. Sie war selbst noch ein Kind, sie konnte keine Mutter sein, genauso wenig wie sie sich eine Situation vorstellen konnte, in der sie ihr Leben für das eines Kindes geben würde, das noch nicht einmal existierte. Vielleicht war das egoistisch, aber es war das, was sie fühlte … Und es brachte sie fast um.
    Jill wünschte sich, Snuffles wäre hier, damit sie ihr Gesicht zwischen seinen Speckfalten vergraben und einfach weinen konnte, bis alles vorüber war.
    Aber nichts würde jemals wieder so sein, wie es einmal gewesen war. Ihre Eltern waren tot. Alle aus ihrer Klasse waren tot. Sie hatte gesehen, wie Tina in der Toilette einer
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