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Legionen des Todes: Roman

Legionen des Todes: Roman

Titel: Legionen des Todes: Roman
Autoren: Michael McBride
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wollte sie in die Arme schließen, um ihr zu zeigen, dass alles wieder in Ordnung kommen und er immer für sie da sein würde, aber für den Moment würde er sich wohl damit zufriedengeben müssen, nur in ihrer Nähe zu sein. Irgendwann würde sie über das sprechen wollen, was innerlich so sehr an ihr nagte, und wenn es so weit war, würde er da sein. Das musste genügen. Er würde sie und das, was sie aneinander hatten, nicht aufgeben.
    »Dann erzähl mir doch mal von deiner Großmutter«, sagte er und betrachtete das Skelett, während er sich Jills Gesichtszüge auf dem nackten Schädel vorstellte.
    Endlich schaute Jill ihn an, und ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen.
    »Ich weiß nur, dass sie ihre Familie sehr geliebt hat und bereit war, absolut alles für sie zu tun.«
    Würdest du alles für dieses Kind opfern?
    Sie fing wieder an zu weinen und lehnte sich an Mares Schulter, und diesmal ließ sie es zu, dass er sie umarmte und tröstete.

III
     
    »Spürst du schon irgendwelche Superkräfte in dir?«
    »Was?« Um ein Haar wäre Ray von dem Fleckchen Felsen, auf dem er neben dem Feuer saß, aufgesprungen. Die Stimme hatte ihn aufgeschreckt; er hatte nicht gehört, wie die Schritte unter dem Prasseln des Feuers näher gekommen waren. Abrupt drehte er den Kopf und schaute mit seinen leeren Augenhöhlen in die Richtung, aus der die Worte gekommen waren, so wie es seine Instinkte ihm noch immer geboten.
    »Als Daredevil sein Augenlicht verlor, hat das mit seinen übernatürlichen Kräfte angefangen«, sagte Jake.
    Ray lächelte. »Bis jetzt noch nicht. Aber ich verspreche dir, wenn es so weit ist, bist du der Erste, dem ich es erzähle.« Er hatte sich angewöhnt, einen abgerissenen Hemdsärmel über seine Augen zu binden, damit die anderen nicht ständig die gähnenden, schwarzen Löcher und das vernarbte Fleisch um seine Augen herum sehen mussten. Seine Haare ließ er jetzt lose übers Gesicht hängen und machte sich nicht mehr die Mühe, sie ständig mit seiner charakteristischen Geste zurück hinter die Ohren zu klemmen.
    »Tut mir leid, das zu hören«, sagte Jake mit einem Anflug von Traurigkeit in seiner Stimme. »Ich habe gedacht, du hättest vielleicht schon was gemerkt.«
    Ray hörte Schritte und dann das schabende Geräusch von Jeansstoff auf nacktem Felsen, als Jake sich neben ihn setzte.
    »Im Moment würde ich meine übernatürlichen Fähigkeiten ohne zu zögern gegen einen labberigen Burger eintauschen. Einen, der so dick ist, dass du ihn kaum in den Mund kriegst, der bei jedem Bissen Ketchup und Mayonnaise auf dein T-Shirt spritzt.«
    »Ich hätte lieber eine Pizza. Peperoni. Die mit Käse am Rand.«
    »Halt bloß die Klappe«, erwiderte Ray.
    »Du hast damit angefangen.«
    »Ja, wahrscheinlich hab ich das«, sagte Ray kichernd. Seine Gedanken flogen davon, und er dachte an das letzte Mal, als er Pizza gegessen hatte. Tina war dabei gewesen. Tina, die immer noch den Großteil seiner Gedanken ausfüllte. Sie waren in einer dieser typischen kleinen Pizzerien gewesen, mit rot-weiß karierten Tischdecken und einer dicken italienischen Mama an der Kasse. Auf den Tischen hatten Schüsseln gestanden, mit frisch geriebenem Parmesan darin und Knoblauch, der in seinem eigenen Saft schwamm. Als Tina auf die Toilette gegangen war, hatte er heimlich etwas von dem Knoblauch unter den Käse auf ihrem Stück Pizza gelöffelt. Er war regelrecht explodiert vor Lachen, als Tina auf den Knoblauch gebissen und – ihr Gesicht feuerrot – in einem Zug zuerst ihre Pepsi und dann ihr Glas Wasser geleert hatte. Als es ihr schließlich gelungen war, ihre Fassung wiederzugewinnen, hatte sie sich die Tränen aus den Augen gewischt und ihn auf diese atemberaubende Weise angelächelt, dass er wusste, sie würde es ihm heimzahlen. Tina hatte es immer genossen, den Tag ihrer Rache so weit wie möglich hinauszuzögern, und stets darauf geachtet, dass sie ihn völlig unvorbereitet traf. Doch dieses Mal hatte sie keine Gelegenheit mehr bekommen, sich für die Extraportion Knoblauch zu rächen.
    Bei Gott, wie sehr er sie vermisste.
    »Tut mir leid«, sagte Jake.
    »Hmm?«, machte Ray, aus seinen Erinnerungen zurückgeholt.
    »Es tut mir leid, dass du nicht mehr sehen kannst. Ich weiß, dass es meine Schuld ist.«
    Ray hörte die Tränen in der Stimme des kleinen Jungen und den abgehackten Atem, als er versuchte, sie zurückzuhalten.
    »Komm her, Kleiner«, sagte Ray, legte ihm einen Arm um die Schultern und zog ihn zu sich
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