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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat
Autoren: Anne Perry
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Lovat-Smith?«
    Lovat-Smith stand auf und nahm Rathbones Platz vor dem Zeugenstand ein. Offen und ruhig, von Mann zu Mann, sprach er auf Cassian ein.
    »Du hast es vor deiner Mutter geheimgehalten, sagst du?«
    »Ja, Sir.«
    »Du hast ihr nie etwas davon erzählt, auch nicht ein kleines bißchen?«
    »Nein, Sir.«
    »Glaubst du, sie wußte es trotzdem?«
    »Nein, Sir, von mir nicht. Ich hab versprochen, nichts zu verraten!« Er beobachtete Lovat-Smith genauso scharf wie zuvor Rathbone.
    »Ich verstehe. Fiel es dir schwer, dieses Geheimnis vor ihr zu bewahren?«
    »Ja, Sir – aber ich hab’s geschafft.«
    »Und du bist ganz sicher, daß sie dich nie darauf angesprochen hat?«
    »Ja, Sir. Nie.«
    »Danke, Cassian. Und nun zu diesem anderen Mann. War es einer, oder waren es mehr? Du brauchst mir keine Namen zu nennen, bloß die Anzahl. Dadurch verrätst du niemanden.«
    Hester spähte zu Peverell hinauf. Sie entdeckte Schuldbewußtsein und abgrundtiefes Bedauern in seinem Gesicht. Aber galt dieses Schuldbewußtsein seiner Mittäterschaft oder lediglich seinem Unwissen? Bei dem Gedanken, daß ersteres der Fall sein könnte, wurde ihr richtiggehend schlecht.
    Cassian dachte einen Moment nach, ehe er antwortete.
    »Zwei, Sir.«
    »Zwei andere?«
    »Ja, Sir.«
    »Danke, Cassian. Das war alles. Rathbone?«
    »Im Moment keine weiteren Fragen, danke. Ich möchte mir allerdings das Recht vorbehalten, ihn noch einmal aufzurufen, falls es für die Identifizierung dieser beiden Personen notwendig werden sollte.«
    »Einverstanden«, sagte der Richter hastig. »Danke, Cassian. Du darfst erst einmal gehen.«
    Mit zitternden Knien kletterte Cassian vorsichtig die Stufen hinunter, wobei er nun ein einziges Mal ins Stolpern geriet, dann marschierte er in Begleitung des Vollzugsbeamten hinaus. Allgemeine Unruhe entstand, und jemand schrie ihm etwas nach. Der Richter schoß vor, doch es war bereits geschehen und hatte zudem Ermutigendes zum Inhalt gehabt. Es war zwecklos, jetzt noch zur Ordnung zu rufen oder den Übeltäter ausfindig machen zu lassen.
    »Ich rufe Felicia Carlyon in den Zeugenstand«, dröhnte Rathbones Stimme laut durch den Saal.
    Lovat-Smith erhob keinen Einspruch, obwohl ihr Name nicht auf Rathbones ursprünglicher Zeugenliste gestanden hatte und sie infolgedessen während der gesamten Verhandlung anwesend gewesen war.
    Spannung lag in der Luft, doch die Einstellung der Menge hatte sich vollkommen gewandelt. Man fieberte ihr nicht länger mit Mitgefühl entgegen, sondern mit drohender Verdammnis.
    Stolz und steif, mit hoch erhobenem Haupt und wütendem Blick nahm sie ihren Platz im Zeugenstand ein. Der Richter verlangte, daß sie den Schleier lüftete, was sie widerstrebend, aber gehorsam tat. Dann sprach sie mit klarer, klingender Stimme den Eid.
    Rathbone baute sich vor ihr auf und begann: »Sie erscheinen auf keine Vorladung hin, Mrs. Carlyon. Die bisherigen Zeugenaussagen haben Sie verfolgt. Sind Sie sich ihrer bewußt?«
    »Ja, das bin ich. Alles boshafte und hinterhältige Lügen! Miss Buchan ist eine alte Frau, die seit über vierzig Jahren bei meiner Familie im Dienst ist und aufgrund ihres Alters anscheinend den Verstand verloren hat. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie eine unverheiratete Frau auf derart schmutzige Gedanken kommt.« Sie machte eine angewiderte Handbewegung. »Ich könnte es mir höchstens so erklären, daß ihre normalen weiblichen Triebe in falsche Bahnen geraten sind, nachdem sie sich vergeblich an die Männer herangemacht hat. Und das ist dann dabei herausgekommen!«
    »Und Valentine Furnival?« erkundigte sich Rathbone süffisant. »Ihn kann man schwerlich als ältliche, abgewiesene Jungfer bezeichnen. Auch ist er kein betagter und abhängiger Dienstbote, der es nicht wagt, schlecht von seinen Dienstherren zu sprechen.«
    »Ein Junge mit den sexuellen Phantasien eines Jungen eben! Wir wissen doch alle, daß Heranwachsende eine zum Teil recht fiebrige Vorstellungskraft besitzen. Wahrscheinlich hat man ihn wirklich auf die von ihm bestätigte Art und Weise mißbraucht, wofür er selbstverständlich mein vollstes Mitgefühl hat. Aber es ist verantwortungslos und gemein von ihm, zu behaupten, mein Sohn sei derjenige gewesen. Vermutlich war es sein eigener Vater, und nun will er ihn beschützen, indem er einen anderen Mann beschuldigt, einen Toten, der sich nicht mehr verteidigen kann.«
    »Und Cassian?« Rathbones Stimme enthielt einen drohenden Unterton.
    »Ach,
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