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Horror Factory 13 - Epitaph

Horror Factory 13 - Epitaph

Titel: Horror Factory 13 - Epitaph
Autoren: Michael Marrak
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    Ich träumte.
    Es war immer dieselbe Kulisse und fast immer der gleiche Traum. Ich lag in einem mit Moos und seidenem Gespinst ausgepolsterten Nest, das eine große Mulde im Gestein ausfüllte. Es besaß einen Durchmesser von annähernd vier Metern, eine Tiefe von anderthalb Metern und befand sich auf der Krone einer Hunderte von Metern hohen Brandungsmauer. Den Blick gen Himmel gerichtet, lauschte ich dem fernen Meeresrauschen und beobachtete die Wolken.
    Eine Spinne hatte sich zu meiner Rechten ein Netz gewoben und ihre Fäden teilweise an meinem nackten Körper befestigt. Ich besaß keine Erinnerung daran, wie es geschehen war und wie lange ich bereits in diesem Horst lag, der aussah wie ein halbierter Insektenkokon. Jeder zu tiefe Atemzug, jedes Zucken meiner Muskeln verleitete seine Schöpferin dazu, ein Stück näher zu kriechen. Der kugelförmige Hinterleib der Spinne war groß wie ein Medizinball, und wenn ich die Augen verdrehte und den Kopf vorsichtig zur Seite neigte, konnte ich ihn ansehen. Er war grünlich und durchsichtig, fast gläsern. In seinem Inneren schwamm eine augenlose, menschenähnliche Kreatur, die das Opisthosoma ausfüllte wie ein in seiner Fruchtblase schwebender Fötus. Eine seiner Hände deutete auf mich, wobei seine Lippen unablässig das gleiche Wort formten: Adema …
    Ich verfolgte die Bewegungen des Mundes, dann sah ich wieder in den Himmel. Die Wolken bewegten sich nicht.
    Irgendwann erschien ihr Schatten über mir. Lautlos sank sie herab, ließ sich neben mir nieder und begann mich mit ihren messerscharfen Klauen zu streicheln. Ich hatte das Gefühl, sie würde mich dabei studieren wie ein kostbares Kleinod, das sie gefunden hatte, aber nicht einzuordnen wusste. Sie fügte mir Schmerzen zu, linderte sie jedoch augenblicklich, sobald sie spürte, dass ich unter ihnen litt. Vielleicht tat sie es aus purer Lust am Quälen, vielleicht aber auch nur, um zu erfahren, was Schmerz überhaupt war. Sie las in meinen Gedanken, saugte mein Wissen auf, erforschte alle Abgründe und Ekstasen; eine unersättliche Entität, die erfahren wollte, was jenseits der Dunkelheit lag, in der sie existierte. Schließlich drang sie in mich ein, füllte mich aus, verwandelte sich in mein Fleisch, mein Blut, meine Gedanken und ruhte in mir, bis sie mit Emotionen, Erinnerungen und Träumen gesättigt war. Dann verließ sie mich und überließ mich dem Erwachen.
*
    Es musste weit nach Mitternacht sein, als mich laute Schläge gegen die Zellentür aus dem Schlaf rissen. Benommen schreckte ich auf und blinzelte in das leuchtende Rechteck der Sichtluke. Der Strahl einer Taschenlampe traf mich. Kurz nacheinander erschienen die Schatten zweier Köpfe hinter der Luke. Gedämpfte Stimmen waren zu hören, dann wurde die Metallklappe wieder zugeworfen.
    Fröstelnd und vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln, starrte ich auf die Tür. Mein Kopf und meine Gelenke schmerzten vom stundenlangen Liegen in der Kälte. Etwas Metallisches klirrte auf dem Korridor. Riegel wurden geöffnet, Schlüssel in Schlössern gedreht, dann schwang die Tür auf. Vier Schatten traten durch das Licht. Zwei von ihnen hielten sich im Hintergrund, die beiden anderen kamen heran. Ich wurde an den Haaren gepackt und in eine sitzende Stellung gezwungen. Augenblicke später leuchtete die Glühbirne an der Decke auf und badete den Raum in uringelbes Licht. Meine Augen vor der Helligkeit schützend, kauerte ich mich auf der Matratze zusammen.
    Jene, die mich emporgerissen hatten, entpuppten sich als gewöhnliche Wärter. Ihre Mienen waren betont unbeteiligt, doch ihre Augen verrieten ihre Geringschätzung für mich, den Farang , wie Europäer hierzulande genannt wurden. Sie zogen sich zurück und übergaben mich den Blicken der beiden anderen Besucher. Ich erkannte Liju, Naumanns maliziös-violente Adjutantin. Sie betrachtete mich mit dem gleichen dämlichen Grinsen auf den Lippen, das allen Mitarbeitern in diesen Mauern anhaftete. Allerdings war das ihre ehrlicher, verächtlicher.
    Die Person neben Liju lächelte nicht. Naumanns Blick war der eines Mannes, der glaubte, einen umherstreunenden Straßenhund aufgegriffen zu haben. Ich kannte seinen Vornamen nicht, wusste jedoch, dass Liju ihn hin und wieder Lex nannte – vielleicht eine Abkürzung für Alexis oder Alexander. Naumann war der Direktor der vom sonnenbeschienenen Postkartenidyll umfriedeten Scheinwelt oben – und der wissenschaftliche Leiter der Menschenfarm darunter. Ich sah den Triumph in
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