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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat
Autoren: Anne Perry
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Cassian!« gab sie mit Todesverachtung zurück. »Ein gequälter, verängstigter Achtjähriger. Gott im Himmel! Sein über alles geliebter Vater wurde ermordet, seine Mutter ist auf dem besten Wege, dafür gehängt zu werden… Und Sie zerren ihn in den Zeugenstand und erwarten, daß er in der Lage ist, die Wahrheit über die große Liebe seines Vaters zu ihm zu erzählen. Ja, sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen, Mann? Er wird doch sagen, was immer Sie aus ihm herauspressen. Ich würde keinen Pfifferling darum geben!«
    »Dann ist Ihr Ehemann vermutlich ebenso unschuldig?« hakte Rathbone sarkastisch nach.
    »Eine Antwort darauf erübrigt sich wohl von selbst.«
    »Aber Sie behaupten es?«
    »Und ob ich das tue.«
    »Mrs. Carlyon, warum hat Valentine Furnival Ihren Sohn Ihrer Meinung nach in den Oberschenkel geschnitten?«
    »Das weiß doch ich nicht! Der Junge muß verrückt sein. Durchaus verständlich, wenn sein Vater ihn jahrelang mißbraucht hat.«
    »Schon möglich«, pflichtete Rathbone ihr bei. »Das würde viele Menschen verändern. Warum, glauben Sie, war Ihr Sohn in Valentines Schlafzimmer und hatte keine Hosen an?«
    »Wie bitte?« Ihre Miene gefror zu Eis.
    »Soll ich die Frage für Sie wiederholen?«
    »Nein! Das ist doch absurd! Wenn Valentine so etwas tatsächlich behauptet, lügt er. Warum, ist nicht mein Problem.«
    »Aber diese Wunde an seinem Oberschenkel, meine verehrte Mrs. Carlyon, muß stark geblutet haben. Obwohl es sich um einen ziemlich tiefen Schnitt handelte, war seine Hose weder zerrissen noch blutbefleckt. Er kann sie nicht getragen haben.«
    Sie starrte ihn abweisend an, die Lippen fest zusammengepreßt.
    Ein schwaches Murmeln erfaßte die Menge, ein leichtes Herumrutschen, ein aufgebrachtes und sofort unterdrücktes Flüstern, dann kehrte wieder völlige Stille ein.
    Felicia sagte immer noch nichts.
    »Wollen wir uns nun Ihrem Ehemann, Colonel Randolf Carlyon, zuwenden«, fuhr Rathbone fort. »Er war ein hervorragender Soldat, nicht wahr? Ein Mann, auf den man stolz sein kann. Und er hatte ehrgeizige Pläne für seinen Sohn: auch er sollte ein Held werden, wenn möglich einen noch höheren Rang bekleiden – den eines Generals sogar. Und es ist ihm geglückt.«
    »Ja. Es ist ihm geglückt.« Sie hob das Kinn, starrte mit weit aufgerissenen, dunkelblauen Augen auf ihn hinab. »Er wurde von allen, die ihn kannten, geliebt und bewundert. Er hätte noch wesentlich mehr erreicht, wäre er nicht in der Blüte seines Lebens ermordet worden. Ermordet von einem eifersüchtigen Weib.«
    »Eifersüchtig auf wen, auf ihren eigenen Sohn?«
    »Werden Sie nicht albern – und vulgär«, spie sie ihm ins Gesicht.
    »O ja, vulgär ist es tatsächlich«, bestätigte Rathbone. »Aber wahr. Ihre Tochter Damaris wußte davon. Sie hatte die beiden einmal zufällig zusammen gesehen…«
    »Unsinn!«
    »Und die Anzeichen bei ihrem Sohn Valentine wiedererkannt. Lügt sie auch? Genau wie Miss Buchan? Und Cassian? Oder sind sie alle dem gleichen verrückten und abartigen Irrglauben aufgesessen? Jeder in seiner privaten kleinen Hölle, ohne vom Los des anderen etwas zu ahnen?«
    Sie zögerte. Allein die Vorstellung war durch und durch lächerlich.
    »Und Sie hatten keine Ahnung, Mrs. Carlyon? Ihr Mann hat Ihren Sohn jahrelang sexuell mißbraucht, vermutlich bis Sie ihn auf die Kadettenschule geschickt haben. Mußte er deshalb so früh von zu Hause weg – um vor den Begierden Ihres Mannes in Sicherheit zu sein?«
    Die Atmosphäre war wie aufgeladen. Die Geschworenen schauten drein wie eine Phalanx von Henkern. Charles Hargrave sah krank aus. Der Körper seiner Frau Sarah saß zwar neben ihm, ihr Herz indes weilte offensichtlich sonstwo. Edith und Damaris kauerten Seite an Seite neben Peverell.
    Felicias Gesicht war hart, ihre Augen glitzerten unheilvoll.
    »Jungen sind immer sehr jung, wenn sie zur Armee kommen, Mr. Rathbone. Aber das ist Ihnen vielleicht nicht bekannt?«
    »Was hat Ihr Mann dann gemacht, Mrs. Carlyon? Hatten Sie keine Angst, er würde dasselbe tun, was Ihr Sohn tat, nämlich den Sohn eines Freundes mißbrauchen?«
    Sie glitzerte ihn wortlos an.
    »Oder haben Sie ihn mit einem anderen Kind versorgt, einem Stiefelburschen beispielsweise?« fuhr Rathbone gnadenlos fort.
    »Der sich nicht wehren konnte, der ungefährlich war? Keinen Skandal heraufbeschwören würde und…« Er brach ab und sah sie an. Sie schien am Rande eines Zusammenbruchs zu stehen, so weiß war sie geworden. Ihre
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