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Fey 05: Der Schattenrpinz

Fey 05: Der Schattenrpinz

Titel: Fey 05: Der Schattenrpinz
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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    Vor ihm ragten die Berge wie eine unüberwindliche steinerne Wand auf. Rugad klammerte sich an die dünnen Seile, die am Vorderteil seines Tragesitzes befestigt waren. Die anderen Enden der Seile waren über ihm um die Klauen von fünfundzwanzig Falkenreitern geschlungen. Das Rauschen ihrer mächtigen Schwingen klang wie riesige, im Wind flatternde Umhänge. Sie trugen ihn mehr als hundert Meter über dem tobenden Meer bis hin zu den Bergen, die die Südküste der Blauen Insel säumten.
    Rugad drehte sich zur Sonne, aber sie wärmte ihn nicht. Im Gegenteil: Ihr kaltes Licht verlieh dem Geschehen eine fast unheilverkündende Klarheit. Die Berge selbst standen wie ausgeschnitten vor dem blauen Himmel.
    Nichts hatte Rugad auf diese Berge vorbereitet. Weder seine Visionen noch das Gerede der Nye, nicht einmal seine Reise in die Eccrasischen Berge, die Wiege der Fey. Diese Berge hier bestanden aus nacktem, grauem Fels, auf der Küstenseite im Lauf der Jahrhunderte von Stürmen, Wellen und rauhem Wetter glattgeschliffen. Das Meer brandete gegen den Fuß der Felsen, als wollte es ein Loch in den Stein reißen, und die Brandung schleuderte Kaskaden weißen Schaums durch die Luft. Selbst in der Höhe, in der die Vögel flogen und jetzt weiter stiegen, um die Gipfel jener Berge zu erreichen, spürte Rugad dort, wo seine Haut ungeschützt war, die Gischt wie tausend Nadelstiche prickeln.
    Je höher sie flogen, desto mehr fror er.
    Auch auf diesen Umstand war er nicht vorbereitet gewesen. Er hatte den Tragesitz von den in Nye zurückgebliebenen Domestiken anfertigen lassen. Sie hatten mit Hilfe ihrer magischen Kräfte ein Dutzend unterschiedlicher Modelle entworfen. Bei einigen waren die Seile zu dick für die Klauen der Falkenreiter gewesen, bei anderen wieder so dünn, daß sie den Tieren schmerzhaft in die Zehen schnitten. Das Material, das sie schließlich ausgewählt hatten, trug Rugads Gewicht, ohne die Reiter über ihm übermäßig zu belasten.
    Sogenannte Reiter konnten zwei verschiedene Gestalten annehmen. In ihrer Fey-Gestalt sahen sie fast wie gewöhnliche Menschen aus, abgesehen von dem gefiederartigen Haar und den gebogenen Nasen. In ihrer Vogelgestalt glichen sie fast vollständig einem Vogel, nur daß sie einen kleinen Menschen auf dem Rücken trugen. Was aussah wie ein winziger Fey, der auf einem Vogel ritt, war in Wirklichkeit ein Teil des Vogels, seine Beine und Unterkörper mit dem Vogelleib verwachsen. Gefährlich war nur, daß sie in ihrer Vogelgestalt über zwei Gehirne verfügten – und manchmal gewann das instinktgeleitete Vogelgehirn die Oberhand.
    Rugad hoffte, das würde bei diesem Unternehmen nicht passieren. Eigentlich hatte er die Domestiken angewiesen, Seile herzustellen, die der menschliche Teil der Vogelreiter in der Hand halten konnte. Aber deren Hände waren zu klein. Sie konnten kein Seil halten, das kräftig genug war, um Rugad zu tragen. Um Rugad vom Schiff hinauf auf die Berge zu befördern, brauchten sie eine starke, verzauberte Faser. Rugad schluckte. Er war froh, in seinem Sitz allein zu sein. Er bezweifelte, daß er seine Nervosität hätte verbergen können. Seine Füße schaukelten über dem Meer. So hoch war er noch nie in seinem Leben geflogen, und er würde noch höher fliegen müssen.
    Sein Kundschaftertrupp, den er in die Berge vorausgeschickt hatte, hatte einen kleinen Landeplatz ausfindig gemacht, den Rugad jedoch von hier aus nicht sehen konnte. Aus dieser Entfernung sahen die Berggipfel wie zerklüftete Spitzen aus, den scharfen Zähnen eines jungen Löwen nicht unähnlich.
    Die Vögel änderten die Flugrichtung, und Rugads Sitz schwang nach hinten. Er schnappte nach Luft und klammerte sich fester an die Seile, erinnerte sich aber noch rechtzeitig an die Anweisung der Domestiken, nicht daran zu ziehen. Plötzlich stieg in ihm eine Heiterkeit auf, ein Gefühl der Leichtigkeit, das er beinahe nicht wiedererkannt hätte.
    Er hatte Angst.
    Seit über siebzig Jahren hatte er keine Angst mehr gehabt, seit seiner ersten Schlacht, damals, als er noch ein Knabe ohne Visionen gewesen war und aufgrund seiner Jugend und seiner ausbleibenden Zauberkraft in der Infanterie hatte dienen müssen.
    Angst.
    Er grinste. Irgendwie erleichterte ihn dieses Gefühl. Er hatte schon gedacht, dieser Teil von ihm sei abgestorben. Wie so vieles andere.
    Logisches Denken besiegt die Angst, daran erinnerte er sich noch. Sie hatten den Tragesitz ausprobiert und ein stabiles Bodenbrett mit
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