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Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)

Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)

Titel: Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)
Autoren: Michel Birbæk
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0. Ende
    E s ist aus. Aus und vorbei. Schicht, finis, Ende, over. Es wird eine Neue geben, na klar, es gibt immer eine Neue. Aber wen interessiert das jetzt?
    Der Bus rauscht vorwärts, bringt uns zu dem Punkt zurück, wo wir vor zehn Tagen als unbekannte Rock-’n’-Roll-Band aufbrachen, um etwas daran zu ändern. Morgens in den Fußgängerzonen, abends in den Clubs. Neunzehn Auftritte in zehn Tagen. Es brachte ein paar Nachfolgeengagements, ein paar Euro, ein bisschen Werbung und jede Menge Spaß – aber wen interessiert das jetzt ? Die Tour ist zu Ende.
    Die weißen Mittellinien ziehen vorbei wie ein einziger Strich, und während der letzten zweihundert Kilometer ist kein Wort gefallen. Durch das offene Fenster brüllt der Fahrtwind rein und übertönt fast das Tapedeck, das bis zur Verzerrung aufgerissen ist. Melissa Etherigde verspricht mir: Baby, you can sleep, while I drive . Schön wär’s, denn ich bin müde. Zehn Tage Tour, zehn Tage Kur.
    Über den Autobahnbrücken türmen sich grüne Ghostbusters-Monster. Sie schlagen nach mir, versuchen, den Bus vom Kurs abzubringen. Ich folge stur der Kokslinie auf dem Asphalt und träume von einem Bett. Für mich alleine.
    Das Tapedeck springt um. Luka Bloom verstärkt die Depression: I will be there, when you need me ...
    Schimanski greift an mir vorbei und killt das leere Versprechen.
    »Bier ist alle.«
    »Leg dich wieder hin.«
    »Bier ist alle.«
    »Leg dich wieder hin.«
    »Bier ist alle!«
    »Es sind nur noch zweihundert Kilometer. Das schaffst du.«
    »Sind wir Männer oder Mäuse?«
    »Fiep, fiep«, macht Max neben mir.
    »Wie ihr wollt ...«
    Schimanski verschwindet wieder nach hinten. Ich höre, wie er seinen Gitarrenkoffer öffnet und das Brett grob durchstimmt.
    »S-S-Sind wir s-schon da?«, kommt es schlaftrunken aus der Ecke, wo sich Brunner ausgestreckt hat.
    »Ja, wir sind schon wieder da«, sagt Schimanski. »Schon wieder an dem Punkt, wo nur ein Protestsong hilft.«
    Brunner stöhnt.
    »Und d-dafür w-weckst du m-mich?«
    »Halt’s Maul und sing!«, erwidert Schimanski.
    Logik war noch nie seine Stärke.
    Passend zur Lage schlägt er einen Moll-Akkord an und fängt an zu singen.
    »Wir fuhren durch Bremerhaven und hatten kein Bier an Bord ...«
    Er wartet vergeblich.
    »Ich will ja nichts sagen ...«, beginnt er.
    »Dann lass es doch«, werfe ich ein.
    »... und schon gar nicht betonen«, fährt er ungerührt fort, »dass alle in diesem Bus um die dreißig sind und laut Statistik extrem gefährdet, bald schlagartig zu verblöden! Wenn wir nicht höllisch aufpassen, werden wir eines Morgens aufwachen und so sein wie die anderen! Lebewesen, deren größter Wunsch ein geregeltes Einkommen, ein fahrbarer Untersatz und die Gründung einer Familie ist!«
    »Also mit der richtigen Frau ...«, beginne ich, aber er bügelt mich nieder.
    »Wenn wir auch nur einen gottverdammten Zentimeter Boden preisgeben, werden sie uns fertig machen ! Zuerst geben sie uns einen festen Job, um uns von der Straße fern zu halten, und um abends nicht alleine vor der Glotze zu hängen, lädt man eines Tages die Nachbarin ein, und schwupps – bevor man sich versieht, ertappt man sich dabei, Milchzähne herumzureichen!«
    Stille.
    Er wartet einen Augenblick, dann spielt er seine Trumpfkarte aus.
    »Außerdem darf ich euch daran erinnern, dass ihr einen Eid geleistet habt.«
    »Ich w-wusste , dass e-er davon a-anfangen w-würde«, stöhnt Brunner.
    »Meine Herren, darf ich bitten?«
    Schimanski schlägt wieder an.
    »Ein bisschen Bier muss sein ...«, grölt er falsch und daddelt schräg durch die Tonleiter.
    »Okay, schon gut, du kriegst dein Bier«, seufze ich, um einer weiteren Trashattacke zu entgehen.
    » yippiee !«, schreit er und baut zur Feier des Tages ein paar Dur-Akkorde ein. »Da vorne kommt ’ne Tanke.«
    Wenig später fährt ein voll gepackter Bus besseren Zeiten entgegen. Vier Mann, zwanzig Becks, Gesanganlage, Bassanlage, Gitarrenanlage, Schlagzeug, Iggy Pop voll aufgedreht.
    »Was will man mehr?«, brüllt Schimanski durch den Krach.
    » noch ein bier !«, brüllen wir unisono.

1. Und los
    I ch hätte es nötig, mal wieder auszuschlafen, und wäre auch noch dabei, wenn Vivis Anlage nicht so verdammt basslastig wäre. Mein Bett vibriert im Takt der tieferen Frequenzen, und das wiederum geht nicht spurlos an meiner Blase vorüber. Also kämpfe ich mich aus dem Bett und mache mich auf den Weg zur Toilette. Jeder Knochen tut mir weh.
    Als ich Morgenritual Teil
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