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Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe
Autoren: John Irving
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ich folgte ihr mit der Hand auf ihrem Rückgrat. »Hab einen Splitter«, sagte ich. »Verdammte Bahn.«
    Sie saß abseits von mir in der Ecke der Sauna, die Knie hochgezogen, den Kopf dazwischen, das Handtuch unter sich. Ich sagte nichts. Als sie ins Schwimmbecken ging, wartete ich am flachen Ende auf sie, aber sie schwamm ein paar einsame Runden.
    Ich folgte ihr gerade zu den Duschen, als sie sich umdrehte und etwas ins Becken zurückwarf. »Was war das?« fragte ich.
    »Die Schlüssel«, sagte sie. »Ich komme nicht mehr hierher.«
    In dem grünen Unterwasserlicht sah ich den Schlüsselbund sich auf den Beckenboden senken. Ich wollte die Schlüssel nicht dort lassen. Lieber hätte ich sie Severin zu Weihnachten geschickt, dicht verpackt in eine ordentliche Schachtel voller Scheiße. Ich weiß nicht, warum ich sie wollte, offengestanden, aber ich tauchte ins Becken und holte sie herauf, nachdem Utsch in die Duschen gegangen war.
    So kam es, daß ich die Schlüssel hatte, und sie waren in der Nacht in meiner Tasche, als ich allein spazierenging und Severins Auto im Schatten der Sporthalle geparkt sah. Das Licht aus der Ringerhalle leuchtete wie die Gucklochöffnung für ein Teleskop in einem mysteriösen Observatorium.
    Er geht also nicht mehr dorthin? dachte ich. Und er war nicht allein hergekommen, da war ich sicher. Ich suchte nach abgestreiften, nicht zueinander passenden Schuhen, aber da war nichts. Wer war es diesmal? fragte ich mich. Ich dachte daran, Edith zu holen, um ihr zu zeigen, wieviel ihre Rache ausgerichtet hatte. Dann dachte ich daran, wie Utsch zu Hause saß, immer noch so überzeugt von Severins großem Leiden. Ihm verzieh sie, aber Edith oder mir hatte sie nicht verziehen.
    Na gut, Utsch, dachte ich; ich werde dir zeigen, in was für Leiden Severin sich ergeht. Während ich den an der Bibliothek vorbeiführenden Fußweg entlangrannte, war es mir plötzlich klar: Severin hatte Audrey Cannon die ganze Zeit weiter getroffen; er hatte nie aufgehört, sich mit ihr zu treffen. Wußte Edith das?
    »Utsch wird es erfahren!« schrie ich laut, während ich an dem neuen Naturwissenschaftlichen Institut vorbeikeuchte - worin zweifellos George James Bender Taufliegen vermehrte und über die vorhersagbaren Resultate nachsann.
    Utsch lag schlaff in der Badewanne. »Komm raus«, sagte ich. »Zieh dir irgendwas an - wir nehmen das Auto. Möchtest du Audrey Cannon kennenlernen?« Ich hielt die Schlüssel zur Sport- und Ringerhalle hoch und fuchtelte ihr damit vor dem Gesicht herum wie mit einer Pistole. »Los doch«, sagte ich. »Ich zeig dir, wer sich zurückgezogen hat.«
    »Was immer du vorhast, laß es bleiben«, sagte sie. »Bitte spiel nicht verrückt.«
    »Du glaubst, er hat so viel gelitten«, sagte ich. »Na, dann sieh dir an, wie er leidet. Sieh dir an, was sein ganzes Problem ist.« Ich zerrte sie aus der Wanne.
    »Ich lasse die Kinder nicht gerne allein, ohne zumindest Jack zu sagen, wo wir hingegangen sind.«
    »Laß die Ausflüchte, Utsch!« schrie ich sie an. »Severin wird gerade in der Ringerhalle flachgelegt! Willst du nicht sehen, wen er jetzt fickt?«
    »Nein!« brüllte sie mich an. »Ich will ihn überhaupt nicht sehen.«
    Ich schnappte mir ihre Bluse und reichte ihr meine Schreibhose; sie hing immer an der Badezimmertür. »Zieh dich an«, sagte ich; es spielte keine Rolle, was sie anhatte. Ich fand mein Jackett mit den Ellbogenflicken aus Leder und ließ sie das anziehen. Sie war barfuß, aber es war nicht kalt draußen, und wir würden nicht lange draußen sein. Sie hörte auf, sich gegen mich zu sträuben, und beim Auto knallte sie die Tür hinter sich zu und saß geradeausstarrend da, während ich neben ihr hineinschlüpfte. Ich sagte: »Das ist zu deinem eigenen Besten. Wenn du siehst, was für ein Superschweinehund er ist, wirst du mit all dem besser zurechtkommen.«
    »Halt's Maul und fahr«, sagte sie.
    Das Licht in der Ringerhalle brannte noch - sie hatten eine lange Sitzung -, und ich bestand darauf, daß wir beim Schwimmbecken auf sie warteten. »Vielleicht erinnert ihn das an was«, sagte ich. »Zweimal bei der gleichen Sache erwischt! Wie blöd der sein kann!«
    »Ich sehe mir an, was immer du mir zeigen willst«, sagte Utsch, »aber hör bloß auf, mit mir zu reden.«
    Ich fand nicht aus dem Umkleideraum und durch die Duschen, aber Utsch kannte den Weg. Wir gingen auf den ersten Balkon über dem Becken und setzten uns dorthin, wo ich mir vorstellte, daß Edith einmal gewartet
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