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Pyramiden

Titel: Pyramiden
Autoren: Terry Pratchett
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Nur Sterne, in der Schwärze verstreut – als sei die Windschutzscheibe des göttlichen Wagens zerbrochen, ohne daß sich der Schöpfer die Mühe machte, alle Splitter einzusammeln.
    Dies ist die Schlucht zwischen den Universen, das tiefe Nichts, das nur einige einsame Atome enthält, ein paar verirrte Kometen und …
    Halt. Moment mal. Eine dunkle Scheibe gleitet ein wenig zur Seite, und dadurch verschiebt sich der Blickwinkel. Was eben noch Teil des interstellaren Irgend Etwas zu sein schien, entpuppt sich jetzt als eine von Finsternis umhüllte Welt. Und tief unten – ja, genau dort – zeigen sich Dutzende, Hunderte von hellen Flecken. Nennen wir sie großzügig Lichter der Zivilisation.
    Es ist wirklich erstaunlich, nicht wahr? Während sich die Welt langsam dreht, offenbart sie ihre wahre Natur. Ganz deutlich sieht man eine Scheibe, rund und flach, und sie wird auf dem Rücken von vier Elefanten getragen, die wiederum auf Groß-A’Tuin stehen – der einzigen Schildkröte, die einen Platz im Hertzsprung-Russel-Diagramm gefunden hat. Sie ist zehntausend Meilen lang, und Meteoriten haben pockennarbige Krater in ihrem Panzer hinterlassen. An einigen Stellen schimmert das Eis von Kometen, die sich in den Ruhestand zurückgezogen haben. Jeder Astronom, der Albedo-Messungen vornimmt, hätte seine Freude an Groß-A’Tuins Augen. Niemand weiß, warum die Himmelsschildkröte existiert und was sie (oder ihn; diese Frage ist noch nicht geklärt) dazu bewegt, vier Elefanten zu tragen, auf deren breiten Rücken die Scheibenwelt ruht. Wahrscheinlich hat es irgend etwas mit Quanten oder hyperphysikalischen Gesetzen zu tun, die das Gewicht von Wahrscheinlichkeit und Kausalität ausgleichen.
    Nun, auf einer derartigen Welt können natürlich die seltsamsten Dinge geschehen.
    Sie geschehen bereits.
    Die Sterne tief unten sind Lagerfeuer und die Lichter ferner Ortschaften in Wäldern und Bergen. Dörfer wie verschwommen wirkende Nebel, Städte gewaltigen Milchstraßen gleich. Nur ein Beispiel: Die riesige Metropole Ankh-Morpork sieht aus, als stießen zwei Galaxien zusammen und verkeilten sich ineinander.
    Doch dieser spezielle Ort ist weit von den Ballungszentren entfernt. Hier, wo das Runde Meer an der Wüste endet, erstreckt sich eine lange Reihe aus blauem Feuer. Flammen, so kalt wie die Gletscher in der Hölle, lodern gen Himmel. Gespenstisches Licht flackert über die Wüste.
    Die Pyramiden im uralten Tal des Djel geben ihre gespeicherte Kraft frei, überantworten sie der Nacht.
    Die von den parakosmischen Spitzen strömende Energie könnte in den folgenden Kapiteln viele Rätsel lösen. Vielleicht gibt sie Antwort auf Fragen wie: Weshalb verabscheuen Schildkröten alles Philosophische? Warum ist zuviel Religion schlecht für Ziegen? Und natürlich: Welche Aufgabe nehmen Dienstmädchen wahr? Was tun sie eigentlich?
    Zweifellos wird sich herausstellen, was unsere Vorfahren zu sagen hätten, wenn sie heute am Leben wären. Viele Leute haben darüber nachgedacht. Was hielten unsere Ahnen von der modernen Gesellschaft? überlegen sie. Und: Würden sie unsere Errungenschaften bewundern? Dabei wird häufig ein wichtiger Punkt übersehen. Wenn unsere Vorfahren tatsächlich Gelegenheit bekämen, noch einmal zum Leben zu erwachen, so lauteten ihre ersten Worte bestimmt: »Warum ist es so zappenduster hier drin?«
     
    Die kühle Morgendämmerung im Flußtal begann, und der Hohepriester Dios schlug die Augen auf. Schon seit einer ganzen Weile fand er keine Ruhe. Er konnte sich überhaupt nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal geschlafen hatte. Der Schlaf ähnelte viel zu sehr jener anderen Sache, und außerdem schien er darauf verzichten zu können. Es genügte ihm, einfach nur still zu liegen, hier; an diesem Ort. Ein paar Stunden reichten aus, um sich von dem Gift der Müdigkeit zu befreien. Um neue Kraft zu schöpfen.
    Zumindest für eine Weile.
    Dios schwang die Beine über den Rand der steinernen Platte. Die rechte Hand wartete gar keine Anweisung des Gehirns ab, reagierte aus reiner Angewohnheit und schloß sich um den mit Schlangenzeichen geschmückten Amtsstab. Der Hohepriester blieb kurz stehen, um der Wand eine weitere Markierung hinzuzufügen, und dann verließ er die kleine Kammer. Er raffte den Umhang zusammen, als er durch den schmalen, schrägen Korridor wanderte, in helles Licht trat und die Beschwörung der Neuen Sonne murmelte. Die Nacht war vergessen. Ein neuer Tag erwartete ihn. Es ging darum,
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