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Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe
Autoren: John Irving
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nahm sie in die Sporthalle mit.
    In der Dunkelheit türmte sich der große Käfig wie ein verlassener Bienenstock, dessen gefährliche Schläfer ihren Zellen entflohen waren. In der neuen Sporthalle schlug mein Schienbein an eine offene Spindtür, und ein blechernes Wäng! hallte zwischen den schweißsteifen, zum Trocknen aufgehängten Socken, den in Ecken lehnenden Hockeyschlägern, den ruhenden Knieschützern und Bandagen. Utsch sagte: »Schsch! Paß auf, daß Harvey uns nicht hört.«
    »Harvey?« Ich dachte an einen Wachhund, der in den tropfenden Duschen herumstöberte.
    »Der Nachtwächter.«
    »Na, dich kennt er doch bestimmt«, sagte ich, prallte mit einer niedrigen Bank zusammen und begrüßte mit der Wange den kalten Zementboden. Auf dem Boden war ein Puderfilm, eine Art für das ganze Gebäude bestimmtes Deodorant. »Um Himmels willen, Utsch«, flüsterte ich, »nimm mich bei der Hand!« Sie führte mich zum Tunnel. Während wir an den kleinen Höhleneingängen vorbeigingen, stellte ich mir vor, daß die Squashräume Fledermäuse beherbergten. Die Luft war muffig. Als wir in den monderleuchteten Käfig hinaustraten, regten sich die Tauben. Um die ächzende Holzbahn herum wankte ich hinter Utsch her. »Ich glaube, ich habe die Schlüssel verloren«, sagte ich.
    »Ich habe die Schlüssel«, sagte sie.
    Als sie die Tür zur Ringerhalle aufschob, schlug uns der nach Gummi riechende Schwall der Heizluftgebläse entgegen. Ich schloß die Tür, und sie drehte die Lichter an. Ich wußte, daß von draußen eine der Zellen des Bienenstocks strahlend erleuchtet war, wie das Auge eines kuppelförmigen, prähistorischen Tieres.
    »Reicht das Mondlicht nicht aus, um was zu sehen?« fragte ich.
    Sie war dabei, sich auszuziehen. »Es ist nicht das gleiche«, sagte sie. Ich betrachtete ihren kräftigen, runden Körper; sie war eine reife, starke Frau, aber sie bewegte sich immer noch wie ein junges Mädchen. Ich verspürte ein frisches Bedürfnis nach ihr, wie es Severin verspürt haben würde, wenn er sich nur hätte vergessen und gehenlassen können. Vielleicht hat er das, dachte ich. Ich betrachtete eine Fremde, die mir beim Ausziehen zusah.
    Utsch griff mich an! Aus Versehen erwischte mein Ellbogen sie am Mund, und sie biß sich auf die Lippe; sie sagte: »Nicht so grob. Sei locker, sei sanft.«
    Trainier mich bloß nicht, dachte ich, ringelte mich aber an sie. Ich berührte sie; sie war schon feucht, und ich wußte in diesem Augenblick, daß es Männer gab - oder Vorstellungen von Männern -, die sie ohne jede Mühe zum Kommen bringen konnten. Sie ließ mich so schnell in sich gleiten, daß ich noch nicht auf die Matte reagiert hatte; sie juckte; sie roch wie der Kühlschrank eines Fremden. Utsch schleifte uns durch den weißmarkierten inneren Kreis auf eine gepolsterte Wand zu, und ich steuerte sie zur Mitte zurück, wie ich es Severin so oft seinen Ringern hatte zubellen hören: »Laß ihn nicht von der Matte runter!«
    Utsch begann sich unter mir zu bäumen, richtiggehend in die Brücke zu gehen. Sie kam - so schnell -, und dann wurde ich mir ihres Wimmerns bewußt, ein hohes Summen wie eine im Stock in Raserei geratene Biene. Ich stellte mir die Tauben in Panik vor, und Harvey, den Nachtwächter, wie er in der Dunkelheit still vor sich hin winselte, während er auf dem weichen Lehmboden unter der Ringerhalle masturbierte. Mein Gott, dachte ich, so war das also für sie; Severin Winter kannte das alles.
    Wir schienen in eine entfernte Ecke der Halle gequetscht zu sein; wir waren über zwei Matten geschlittert und außerhalb der Wettkampffläche, aber Utsch kam immer noch. Ich spürte mich in ihr kleiner werden, und als sie fertig war, war ich geschrumpft und hatte jeden Kontakt verloren.
    »Ich bin gekommen«, sagte Utsch.
    »Das bist du allerdings«, sagte ich, aber die Eifersucht in meiner Stimme ließ sich nicht verbergen, und sie wußte, daß ich aus ihr zurückgeschreckt war.
    »Du kannst alles verderben, wozu du dich entschlossen hast«, sagte sie. Sie stand auf, griff sich ein Handtuch von einem Stapel in der Ecke und bedeckte sich.
    »Ist es Zeit für ein bißchen leichte Gymnastik?« fragte ich. »Oder sollten wir ein paar Runden laufen?«
    Sie hatte ihre Kleider zusammengerafft und ging zur Schiebetür hinaus. »Mach die Lichter aus, wenn du gehst«, sagte sie. Ich ging ihr um die überhöhte Bahn herum nach. Ich riß mir einen Splitter in die Ferse. Als sie den Tunnel erreichte, hatte ich sie eingeholt;
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