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Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe
Autoren: John Irving
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allein.
    Ich rief Severin an und sagte: »Hör mal, wie kommt ihr beide klar? Utsch hat's mir erzählt.«
    »Dir was erzählt?«
    »Edith hat Utsch erzählt, was da draußen passiert ist«, sagte ich.
    »Ach so, ja«, sagte er. »Bender hat's wirklich versiebt.«
    »Sei ehrlich zu mir, Severin«, sagte ich. Dann erzählte ich ihm die Geschichte, die ich gehört hatte. Er bestritt sie, aber das war natürlich nicht anders zu erwarten.
    Wenig später rief Edith Utsch an und sagte, Utsch habe sie hintergangen. Offensichtlich hatte Edith ihr gesagt, sie dürfe mir kein Wort verraten - wobei sie natürlich wußte, daß Utsch es sofort verraten würde. Utsch antwortete, daß Edith Severins Vertrauen hintergangen habe, indem sie die Geschichte als erste erzählt hatte. Dann rief ich Edith an und sagte ihr, daß ich wüßte, daß es gelogen sei.
    »Natürlich ist es das«, sagte sie. Aber sie meinte, daß Utsch gelogen hatte.
    »Nein, du hast gelogen«, sagte ich.
    »Scheiß auf dich«, sagte Edith.
    Wir sahen die Winters wochenlang nicht, und als sie uns zum Essen einluden, wußten wir nicht genau, was das Essen sollte.
    »Sie werden uns vergiften«, sagte ich, aber Utsch lächelte nicht. »Severin macht gern alles offiziell«, sagte ich. »Er muß ein Bankett veranstalten, um zu verkünden, daß zwischen uns auch wirklich alles aus ist.«
    »Vielleicht wollen sie sich entschuldigen.«
    »Wofür?« sagte ich. »Dafür, daß sie uns benutzt haben? Ich bin sicher, daß es ihnen nicht leid tut.«
    »Halt's Maul«, sagte Utsch. »Vielleicht wollen sie die ganze Sache nochmal probieren.«
    »Ganz bestimmt.«
    »Und wenn sie es nochmal probieren wollten«, sagte Utsch, »wärst du mit Begeisterung dabei.«
    »Von wegen.«
    »Ha!«
    »Halt's Maul.«
    Als Severin uns an der Tür begrüßte, sagte er: »Edith hat das Rauchen aufgegeben, also werden wir nicht lange Cocktails trinken. Da hat sie nämlich am meisten Lust zu rauchen.« Er küßte Utsch so auf die Wange, wie ich ihn seine Kinder hatte küssen sehen, und schüttelte mir die Hand. Für einen Ringer hatte Severin einen sehr schwachen Händedruck, als versuchte er einen damit zu beeindrucken, wie sanft er sei.
    Edith aß im Wohnzimmer eine Möhre; sie hielt mir die Wange hin und ließ sich von mir küssen, während ihre beiden Hände die Möhre umklammerten. Ich erinnerte mich an den ersten Abend, an dem wir mit ihnen gegessen hatten; sie waren beide viel ungezwungener gewesen miteinander.
    »Es gibt Tintenfisch«, sagte Severin.
    »Severin hat den ganzen Tag gekocht«, sagte Edith.
    »Das Zeitraubendste ist eigentlich, ihn zu putzen«, sagte er. »Zuerst muß man die Haut abziehen. Es ist so eine Art Film - eine Membran -, sehr schleimig. Dann muß man die Innereien herausnehmen.«
    »Tintenfische sind wie Kondome«, sagte Edith. »Es ist, wie wenn man einen Pariser umstülpt.«
    »Edith hat mir dabei geholfen«, sagte Severin. »Ich glaube, ihr geht einer ab, wenn sie Tintenfische umstülpt.«
    Edith lachte, und Utsch knackte mit den Zähnen eine Möhre wie den Nacken eines kleinen Tieres.
    »Was macht die Arbeit?« fragte ich Edith.
    »Ich bin gerade mit etwas fertig geworden«, sagte Edith. Sie aß eine Möhre nach der anderen. Ich wollte rauchen, aber es gab keine Aschenbecher.
    »Hast du zugenommen, seit du mit dem Rauchen aufgehört hast?« fragte Utsch.
    »Ich habe erst vor einer Woche aufgehört«, sagte Edith. Ich konnte nichts feststellen, was ihr Gewicht anging; sie trug ein formloses Bauernkleid, so ein Ding, wie sie es sonst nie trug. Ich hatte das Gefühl, daß Severin sie für den Anlaß angezogen und sichergestellt hatte, daß der Umriß ihres straffen Körpers mir nicht sichtbar war.
    »Zeit zum Essen!« sagte Severin.
    Der Tintenfisch war, in weißen Ringen und graulichen Klumpen von Tentakeln in roter Sauce, auf einer großen Platte; er ähnelte kleinen Schnipseln und Brocken von Fingern und Zehen. Oben konnten wir Fiordiligi und Dorabella zusammen baden hören; Geplantsche, das Vollaufen der Wanne, ihre Kleinmädchenstimmen, Fiordiligi neckend, Dorabella quengelnd.
    »Ich habe die Mädchen schon lange nicht mehr gesehen«, sagte Utsch.
    »Sie baden gerade«, sagte Edith. Stumpfsinnig hörten wir alle zu, wie sie badeten.
    Ich wäre für die Unterbrechung unseres peinlichen Schweigens durch das gewaltige schmetternde Krachen dankbar gewesen, nur wußte ich genau, was es war. Es gab ein Geräusch wie das Bersten mehrerer oberer Fenster unter
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