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Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe
Autoren: John Irving
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Er hatte bloß im alten Käfig gestanden und sich erinnert, wie ich. Ich hatte ihn seit seiner verheerenden Niederlage nicht mehr gesehen, und plötzlich wollte ich ihn fragen, ob es stimmte, daß er mit Edith geschlafen hatte, ob an dieser unmöglichen Geschichte etwas dran war.
    »Guten Morgen, Herr Professor«, sagte er. »Was machen Sie hier?«
    »Es ist ein guter Platz zum Nachdenken«, sagte ich.
    »Ja, da ist es«, sagte Bender.
    »Ich habe über Severin Winter nachgedacht«, sagte ich. »Und über Edith. Ich vermisse die beiden.« Ich beobachtete ihn genau, aber seine tot-grauen Augen gaben nichts preis.
    »Wo sind sie?« fragte er; er wirkte desinteressiert.
    »In Wien.«
    »Dort muß es sehr schön sein«, sagte er.
    »Bloß unter uns«, sagte ich, »ich wette, Edith Winter ist das bestaussehende Stück Hintern in ganz Wien.«
    Seine Reptilienruhe blieb unberührt; sein Gesicht zeigte nur die leiseste Spur von Leben, wie wir es kennen. Er sah mich an, als erwäge er meine Meinung ernsthaft. Schließlich sagte er: »Sie ist irgendwie spillerig, oder?« Ich stellte voll Ekel fest, daß George James Bender tatsächlich lächelte, aber sein Lächeln hatte nichts, was irgend zugänglicher gewesen wäre als seine leeren Augen. Ich wußte einmal mehr, daß ich nichts wußte.
    Ich werde also nach Wien fahren, und ich werde mich noch einmal an dem Bruegel-Buch versuchen. Aber natürlich gibt es zusätzliche Faktoren. (»Es gibt immer zusätzliche Faktoren«, pflegte Severin zu sagen.) Es ist eine Möglichkeit, den Kindern nahe zu sein, und ich gebe zu, daß ich Utsch meiner Verfügbarkeit versichern will. Wir Verfasser historischer Romane wissen, daß alles ein wenig Zeit braucht. Und Wien hat eine legendäre Geschichte von Verträgen; die dort über die Jahre geschlossenen Abkommen reichen weit und tief.
    Und ich würde gern einmal Edith und Severin über den Weg laufen.
    Ich würde sie gern in einem Restaurant sehen, vielleicht beim Essen mit einem anderen Paar. Ich würde auf einen Blick alles über dieses andere Paar wissen. Utsch und ich würden allein sein, und ich würde den Ober bitten, diesem Paar einen Zettel von uns zu übergeben. »Passen Sie auf«, würde darauf stehen. Und der Mann würde den Zettel seiner Frau zeigen und dann Edith und Severin, die sich plötzlich im Restaurant umblicken und uns sehen würden.
    Utsch und ich würden nicken, und bis dahin, hoffe ich, würde ich in der Lage sein zu lächeln.
    Ein andermal würde ich Severin Winter gern eine Frage stellen. Wenn es regnet oder schneit, wenn die Hitze unerbittlich oder die Kälte tief ist - wann immer er das Wetter als Gegner empfindet -, denkt er dann an Audrey Cannon? Ich würde darauf wetten.
    Gestern schrieb Utsch, sie habe Edith im Demel sitzen und Torte essen sehen. Ich hoffe, sie wird fett.
    Alsdann. Heute habe ich mir ein Flugticket gekauft. Meine Mutter hat mir das Geld gegeben. Falls Hahnreie die zweite Luft kriegen, dann warte ich gespannt auf meine.
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