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Ein ganz besonderer Sommer

Ein ganz besonderer Sommer

Titel: Ein ganz besonderer Sommer
Autoren: Tina Caspari
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wie möglich. Damit legte er auf.
    Bille wurde es mulmig. War den Groß-Willmsdorfern überhaupt klar, worum es hier ging? Wie ernst die Situation war? Natürlich, in so einem großen Betrieb gab es dauernd Probleme, die dringend gelöst werden mussten; ein Pferd brauchte den Tierarzt oder musste in die Klinik, eine Verkaufsverhandlung lief, bei der es um enorme Summen ging. Wer dachte da schon an einen kleinen Stall im fernen Polen, der ums Überleben kämpfte.
    Und was sollte sie machen, wenn es nicht klappte? Wenn es keine Lösung gab? Sie hatte Agnieszka fest versprochen, dass ihren Pferden nichts passieren würde. Natürlich war es leichtsinnig gewesen, so etwas zu behaupten, sie hätte das nie tun dürfen. Nun musste sie eine Lösung für die Pferde der Orsowskis finden, ob mit oder ohne Hilfe ihrer Freunde zu Hause.
    Am liebsten hätte sich Bille in eine dunkle Ecke zurückgezogen und sich ausgeheult. Aber das war jetzt unmöglich. Sie musste sich um Agnieszka kümmern, die von Stunde zu Stunde niedergeschlagener wirkte. Sie musste sie ablenken, ihr Hoffnung machen . . . nur wie?
    Wenn wenigstens Mutsch da gewesen wäre! Aber die war mit Kasimirs Auto in die Stadt gefahren. Sie musste Besorgungen machen, hatte sie gesagt. Janina hatte sie begleitet, um zu dolmetschen. Wie konnte Mutsch jetzt nur an Einkäufe denken!
    Die beiden Frauen kamen auch zum Abendessen nicht zurück. Janina hatte angerufen, Frau Abromeit lüde sie in ein Lokal zum Essen ein. Bedrückt hockte Bille bei der übrigen Familie am Tisch. Sie hatte keinen Appetit und brachte kaum einen Bissen herunter. Agnieszka ging es genauso. Nur Kasimir und Tomek schaufelten fast grimmig das Essen in sich hinein, als wäre es das Letzte, was sie in diesem Leben bekommen würden. Die Mahlzeit verlief schweigsam, und kaum hatte Tante Elzbièta den Tisch abgeräumt, zogen Kasimir und Tomek sich an den Fernseher im Wohnraum zurück, um die Nachrichten zu hören.
    Agnieszka klagte über stechende Kopfschmerzen und flüchtete sich ins Bett. Bille fühlte sich erbärmlich. Machte die Freundin ihr insgeheim Vorwürfe? Offensichtlich glaubte sie nicht mehr daran, dass es eine Rettung für die Pferde geben könnte.
    Um überhaupt irgendetwas zu tun, ging Bille in die Küche und half Tante Elzbièta beim Aufräumen. Die alte Dame lächelte ihr dankbar zu, streichelte ihr einmal über die Wange und sagte in ihrem holprigen Deutsch: „Du nicht traurig sein. Leben ist mal so, mal so. Muss man sich fügen. Kommt auch wieder besser.“
    Aber Bille wollte sich nicht fügen. Sie wollte kämpfen, eine Lösung finden! Warum rief nicht wenigstens Simon an? Fühlte er nicht, wie elend ihr zu Mute war? Schließlich schlich sie in den Stall hinüber und schlüpfte zu Sofia in die Box. Traurig umarmte sie die Stute und lehnte den Kopf an ihren Hals. Es hätte gut getan, jetzt weinen zu können, doch sie fühlte sich zu leer, zu ausgebrannt. Wie wunderschön waren diese Ferien gewesen! Warum mussten sie so traurig enden? Eine Weile schmuste Bille noch mit Sofia, dann ging auch sie zu Bett.
    Mutsch und Janina waren immer noch nicht zurück. Aber um sie machte Bille sich keine Sorgen. Wahrscheinlich genossen es die beiden neuen Freundinnen, sich einmal in Ruhe über ihr Leben austauschen zu können. Oder Mutsch brauchte einfach Zeit, um Janina zu trösten und ihr Mut zuzusprechen. Das Leben der Orsowskis musste weitergehen, auch ohne Hotel und ohne Pferde, und wenn es noch so wehtat! Und man durfte sie in dieser Zeit nicht im Stich lassen.
    Bille hatte wie betäubt geschlafen und wachte erst kurz nach acht auf. Mutschs Bett war leer, doch Bille stellte erleichtert fest, dass es benutzt worden war. Sie beeilte sich mit dem Anziehen in der Hoffnung, wenn sie zum Frühstück hinunterkäme, gäbe es vielleicht gute Nachrichten. Doch das Gegenteil war der Fall.
    Mutsch war noch einmal mit Janina und Kasimir weggefahren, wie ihr Tante Elzbièta erklärte. Nur Tomek und Agnieszka waren unten. Sie hatten die Pferde versorgt und saßen sich nun stumm beim Frühstück gegenüber.
    „Guten Morgen!“, sagte Bille bedrückt. „Kein Anruf für mich?“
    Agnieszka schüttelte nur den Kopf. Sie war blass , und ihre Augen waren gerötet, offensichtlich hatte sie in der Nacht viel geweint. Sie sah Bille nicht an. Auch Tomek starrte geistesabwesend vor sich hin, wer weiß, wo er mit seinen Gedanken war.
    Bille setzte sich schweigend und trank einen Schluck Kaffee. Warum ruft niemand an !, dachte
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