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Rot wie die Liebe

Rot wie die Liebe

Titel: Rot wie die Liebe
Autoren: Nora Roberts
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Prolog
    Es waren Bilder im Feuer. Drachen, Dämonen und Krieger. Die Kinder konnten sie ebenso gut sehen wie er. Der alte Mann wusste, dass gerade die sehr jungen und sie sehr alten Menschen sehen konnten, was andere nicht sahen. Oder nicht sehen wollten.
    Er hatte ihnen schon viel erzählt. Seine Geschichte hatte mit dem Zauberer begonnen, den die Göttin Morrigan gerufen hatte. Hoyt von den Mac Cionaoith war von den Göttern beauftragt worden, in andere Welten und andere Zeiten zu reisen und eine Armee zusammenzustellen, die der Vampirkönigin die Stirn bot.
    Die große Schlacht zwischen Menschen und Dämonen würde am Sabbat von Samhain im Tal des Schweigens im Land Geall stattfinden.
    Er hatte ihnen auch von Cian erzählt, dem Bruder des Zauberers, der von der bösen Lilith getötet und verwandelt worden war. Sie selbst hatte beinahe schon ein Jahrtausend als Vampir existiert, bevor sie Cian zu einem der Ihren gemacht hatte.
    Und auch für Cian vergingen beinahe tausend Jahre, ehe er sich mit Hoyt und der Hexe Glenna zusammenschloss, um den Zirkel der sechs zu gründen. Die nächsten beiden Mitglieder stammten aus Geall – der Gestaltwandler und die Gelehrte schlossen sich ihnen ebenfalls an. Und als Letzte stieß die Kriegerin zu ihrem Kreis, eine Dämonenjägerin vom Blute der Mac Cionaoith.
    Die Geschichten, die er den Kindern erzählt hatte, hatten von Schlachten und Mut, von Tod und Freundschaft gehandelt. Und von Liebe. Die Liebe, die zwischen dem Zauberer und der Hexe entstanden war, und die Liebe zwischen dem Gestaltwandler und der Kriegerin hatten den Zirkel so gefestigt, wie es nur wahre Magie vermag.
    Aber es gab noch mehr zu erzählen. Triumph und Verlust, Furcht und Tapferkeit, Liebe und Opfer – und dazu gehörten die Dunkelheit und das Licht.
    Während die Kinder darauf warteten, dass er weiter erzählte, überlegte er, wie er mit dem Ende der Geschichte am besten beginnen sollte.
    »Sie waren sechs«, sagte er und blickte ins Feuer, während die Kinder erwartungsvoll verstummten und still wurden. »Und jeder hatte die Wahl, anzunehmen oder abzulehnen. Denn auch wenn man Welten in den Händen hält, muss man sich entschließen, sich dem zu stellen, was sie zerstören will, oder sich abzuwenden. Und mit dieser Entscheidung«, fuhr er fort, »gehen zahlreiche andere Entscheidungen einher.«
    »Sie waren tapfer und aufrecht«, rief eines der Kinder. »Sie haben sich für den Kampf entschieden.«
    Ein leises Lächeln glitt über das Gesicht des alten Mannes. »Ja, das taten sie. Und doch stand ihnen jeden Tag und jede Nacht innerhalb der ihnen gewährten Zeit die Wahl frei, und sie mussten die Entscheidung immer wieder aufs Neue treffen. Einer unter ihnen, das wisst ihr ja noch, war kein Mensch mehr, sondern Vampir. Jeden Tag und jede Nacht innerhalb der ihnen gewährten Zeit wurde er daran erinnert, dass er kein Mensch mehr war. Er war nur ein Schatten in den Welten, die zu schützen er beschlossen hatte.
    Und deshalb«, sagte der alte Mann, »träumte der Vampir.«

1
    Er träumte. Und im Traum war er noch ein Mann. Jung, vielleicht dumm, zweifellos unbesonnen. Und die Frau, die er sah, war so schön.
    Sie trug ein Gewand in einem tiefen Rot, eleganter, als es für den Landgasthof eigentlich angebracht war, mit langen, weiten Ärmeln. Es umschmiegte ihre Gestalt und ließ ihre weiße Haut strahlen. Ihre Haare waren golden, und die Locken schimmerten unter ihrem Kopfputz.
    Das Kleid, der Schmuck, der an ihrem Hals und ihren Fingern funkelte, sagten ihm, dass sie eine nicht unvermögende Dame war.
    Im dämmerigen Licht des Gasthauses erschien sie ihm wie eine Flamme, die im Schatten emporzüngelte.
    Zwei Diener hatten einen privaten Raum zum Essen für sie vorbereitet, und als sie hereinrauschte, waren Gespräche und Musik sofort verstummt. Aber ihre Augen, so blau wie ein Sommerhimmel, hatten nur ihn angeschaut. Nur ihn.
    Als später einer der Diener auf ihn zugekommen war und erklärt hatte, die Dame wünsche mit ihm zu speisen, hatte er nicht eine Minute gezögert.
    Warum sollte er auch?
    Möglicherweise hatte er über die gutmütigen Kommentare der Männer, mit denen er zusammensaß, gegrinst, aber er war sofort aufgestanden, ohne sich etwas dabei zu denken.
    Sie stand im Schein des Kaminfeuers und der Kerzen und schenkte bereits Wein ein.
    »Ich bin so froh, dass Ihr eingewilligt habt, mir Gesellschaft zu leisten«, sagte sie.
    »Ich hasse es, alleine zu essen, Ihr auch?« Mit anmutigen
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