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Rot wie die Liebe

Rot wie die Liebe

Titel: Rot wie die Liebe
Autoren: Nora Roberts
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Armen. Mit dem Fingernagel ritzte sie sich die Haut um die Brustwarze auf, sodass das Blut davon heruntertropfte wie von ihren Lippen. »Und jetzt trink. Trink mich, und du bist ewig.«
    Nein. Seine Lippen wollten das Wort nicht formen, aber es schrie durch seinen Kopf. Er spürte, wie das Leben aus ihm entwich, und kämpfte um den letzten Halt.
    Selbst als sie seinen Kopf an ihre Brust zog, wehrte er sich noch mit dem letzten Rest von Kraft in sich.
    Und dann schmeckte er ihr Blut. Und wie ein Säugling an der Mutterbrust trank er seinen eigenen Tod.
    Der Vampir erwachte in völliger Dunkelheit und absoluter Stille. Seitdem er vor so langer Zeit verwandelt worden war, erhob er sich jeden Tag nach Sonnenuntergang, aber kein Schlag seines Herzens regte die Luft.
    Obwohl er den Traum zahllose Male in zahllosen Jahren geträumt hatte, empfand er ihn immer noch als verstörend. Sich so zu sehen, wie er einst gewesen war, sein eigenes Gesicht zu sehen, das er im Wachen seit jener Nacht nicht mehr gesehen hatte, machte ihn ärgerlich und gereizt.
    Er grübelte über sein Schicksal. Das war sinnlos. Er akzeptierte doch, was aus ihm geworden war, und nutzte es. Aufgrund seiner persönlichen Ewigkeit hatte er Reichtum angehäuft, Frauen, Komfort, Freiheit. Mehr konnte ein Mann sich doch nicht wünschen, oder?
    Dass sein Herz nicht schlug, war nur ein kleiner Preis. Ein lebendiges Herz wurde alt und schwach und hörte irgendwann auf zu schlagen.
    Wie viele Körper hatte er in seinen neunhundert Jahren verfallen und sterben sehen?
    Er konnte sie nicht mehr zählen. Und obwohl er sein eigenes Spiegelbild nicht sehen konnte, wusste er aber, dass er noch genauso aussah wie in jener Nacht, als Lilith ihn genommen hatte. Seine Knochen waren immer noch stark, die Haut spannte sich fest, geschmeidig und ohne Falten darüber. Seine Augen waren scharf und klar, und er hatte kein einziges graues Haar.
    Manchmal, im Dunkeln, wenn er alleine war, tastete er sein Gesicht mit den Fingern ab. Die hohen, ausgeprägten Wangenknochen, das kleine Grübchen im Kinn, die tiefliegenden, strahlend blauen Augen. Seine Nase, der feste Schwung seiner Lippen.
    Dasselbe. Immer noch dasselbe. Ab und zu gönnte er sich diesen Luxus, sich an sich selbst zu erinnern.
    Er erhob sich im Dunkeln, sein schlanker, muskulöser Körper war nackt, und schwarze Haare umrahmten sein Gesicht. Er war als Cian Mac Cionaoith geboren und hatte seitdem unter vielen Namen gelebt. Jetzt war er wieder Cian – daran war sein Bruder schuld. Hoyt würde ihn nie anders nennen, und da er in dieser Schlacht, die zu kämpfen er zugestimmt hatte, möglicherweise sein Ende finden würde, war es Cian nur recht, wenn er dann seinen Geburtsnamen trug.
    Allerdings wäre es ihm lieber gewesen, wenn er weitermachen konnte. Seiner Meinung nach hielten nur Irre oder ganz junge Leute Sterben für ein Abenteuer. Wenn dies jedoch sein Schicksal wäre, dann würde er sich zumindest mit Stil verabschieden.
    Und wenn es irgendwo auf der Welt Gerechtigkeit gäbe, dann würde er Lilith mit sich in den Staub reißen.
    Seine Augen waren so scharf wie seine übrigen Sinne, deshalb bewegte er sich geschmeidig in der Dunkelheit und trat an eine Truhe, um eines der Päckchen mit Blut herauszuholen, die sie aus Irland mitgebracht hatten. Anscheinend hatten die Götter gegen das Blut ebenso wenig einzuwenden gehabt wie gegen den Vampir, der es brauchte, da beides ohne Probleme durch ihren Steinkreis von einer Welt in die andere gereist war.
    Allerdings handelte es sich auch um Schweineblut. Cian hatte schon seit Jahrhunderten kein Menschenblut mehr zu sich genommen. Das war seine persönliche Entscheidung gewesen, dachte er, als er das Päckchen öffnete und den Inhalt in einen Becher schüttete. Es hatte etwas mit Willenskraft zu tun und, nun ja, auch mit guten Manieren. Schließlich lebte er unter Menschen, machte Geschäfte mit ihnen und schlief mit ihnen, wenn er in der Stimmung dazu war. Unter diesen Umständen kam es ihm ungehörig vor, sich von ihnen zu ernähren.
    Jedenfalls fand er es einfacher, so zu leben, wie es ihm beliebte, wenn er nicht in der Nacht loszog, um irgendeine arme Seele zu töten. Natürlich war es ungleich viel aufregender und geschmacklich auch besser, sich von lebenden Kreaturen zu nähren, aber es war doch ein schmutziges Geschäft.
    Er hatte sich an den langweiligeren Geschmack des Schweinebluts gewöhnt, und vor allem fand er es viel bequemer, es jederzeit zur Hand zu haben,
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