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Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit

Titel: Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Autoren: Britta Strauss
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    Teil Eins
     
    Die Wanderer
     
     
     
    „Hunderttausend Jahre sind vergangen,
    und ich höre noch immer den fernen Klang
    der Trommeln meiner Ahnen.
    Ich höre die Trommeln überall im Land,
    höre ihren Klang in meinem Herzen.
    Die Trommeln werden schlagen, mein Herz wird schlagen.
    Und ich werde hunderttausend Jahre alt.“
     
    Shirley Daniels, Ojibwa
     
     
     
    Sara, 2011
     
    W
    ährend draußen der Schneesturm tobte, unter dem Dach des baufälligen Museums heulte , und Kälte durch die undichten Fensterritzen drückte, las Sara die I n schrift des Grabsteins:
     
    Resting Here Until Day Breaks
    a nd Shadows Fall
    and Darkness Disappears
     
    is
    Quanah Parker
    Last Chief of the Comanches
    Born – 1852
    Died Feb. 23, 1911
     
    Der Anblick des vergilbten, hinter staubigem Glas eingeschlossenen Fotos berührte etwas in ihr, das sie nicht benennen konnte. Von einer Legende war nicht mehr übrig als blasser Schatten und welkende Erinn e rung. Ein Denkmal, ein Grabstein und der Name dieser Stadt. Der Lauf der Dinge, wie man so schön sagt. Unabwendbar und frustrierend.
    Einhundert Jahre war es her, dass der letzte Häuptling der Comanchen am 23. Februar 1911 als reicher, angesehener Mann gesto r ben war. Für Menschen eine lange, im Lauf der Geschichte verschwi n dend kurze Zeit. Sara hatte sich während ihres Ethnologie-Studiums auf die Kultur der Khmer spezialisiert, aber auf ihrer Reise durch die Reservate Nordamer i kas war ihre Meinung über ihre Interessen revidiert worden. Hier war sie zu Hause. In dieser Epoche der Geschichte, mit der sie sich , bis der Auf trag zu einem Bildband eingetr u delt war , nie nennenswert beschäftigt hatte.
    Die Welt der Präriestämme berührte sie und gab ihr ein Gefühl von Heimat. Vielleicht war es auch nur eine launische Neigung. Wer wusste das schon? Sie zog ihren schwarzen Mantel enger um sich, trat fröstelnd von einem Bein auf das andere und wog das Für und Wider einiger we i terer Fotos ab. Morgen würde sie wohl oder übel nach New York z u rückreisen müssen. Der Gedanke behagte ihr nicht. Nein, er ging ihr völlig gegen den Strich. Zum einen hatte sie während ihrer Rundreise das lang ersehnte Gefühl gewonnen, endlich zur Ruhe zu kommen. Im Kielwasser dieses Gefühls war ein innerer Frieden zu ihr gekommen, der sich in Luft auflösen würde, sobald sie in die Stadt zurückkehrte. Zum anderen fehlte ihr noch immer etwas. Der Prom e theus -F unke für ihr Projekt. Das eine besondere Bild, dazu auserkoren, zum Sahnehäubchen des Bildbandes zu werden.
    Sie hatte deprimierende Fotos aus dem Pine Ridge Reservat und prachtvolle vom Herzen aller Dinge , den heiligen Black Hills. Sie hatte inmitten endloser Grasebenen die Magie eines Ortes eingefangen, an dem die Zeit stillstand, und war mit viel Überredungskunst in den G e nuss eines Inipi-Rituals gekommen. Keines dieser oberflächlichen To u ristenschauspiele, sondern ein unverfälschter Einblick in die Tiefe n des indianischen Glaubens.
    Seitdem empfand sie die Dinge und sich selbst anders. Entrückt. Ve r wunschen.
    „Beschreibe dieses Gefühl“, hörte sie ihre Chefin nörgeln. „Was dü r fen sich unsere Leser darunter vorstellen? Werde deutlicher.“
    Aber wie sollte man etwas beschreiben, für das man keine Worte hat? Am ehesten war es so, als würde man aufwachen und begreifen, dass die Realität nur ein Traum war. Und Träume die Realität.
    „Darunter kann sich der Leser nichts vorstellen“, bemängelte ihre i n nere Chefin-Stimme. „Klar verständlich, bitte. Kein kryptisches G e schwafel.“
    Kryptisches Geschwafel. Oh Mann. Warum war sie derart unzufri e den? Sie hatte viel erreicht, und doch war da diese schale Unvollko m menheit in ihr, von der sie weder wusste, woher sie stammte, noch wie sie sie hätte beseitigen können. Gedanken dieser Art waren ihrem inn e ren Gleichgewicht nicht zuträglich, also schüttelte sie sie ab und nahm ihren Rundgang wieder auf. Ordnung suchte man in diesem Museum vergeblich, was ihr ein fieses Kribbeln in den Händen verursachte. Ein, zwei Tage, und sie hätte aus diesem chaotischen Haufen etwas Anspr e chendes herausgeholt. Nach Schaukästen voller Silbermünzen, Armbrü s ten, Hellebarden, Auswanderungsurkunden, Tagebüchern und Geiste r tanz-Hemden folgte eine Vitrine, in der sich – so wusste der angeklebte Zettel zu berichten – Alltagsgegenstände aus Quanah Parkers Wohnsitz Comanche White House befanden.
    Und plötzlich war die Beklommenheit, die
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