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Ein ganz besonderer Sommer

Ein ganz besonderer Sommer

Titel: Ein ganz besonderer Sommer
Autoren: Tina Caspari
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sie verzweifelt. Simon, bitte, melde dich doch! Ratlos grübelte sie darüber nach, was geschehen sein konnte, dass niemand etwas von sich hören ließ. War das Telefon gestört? War es vielleicht schon abgestellt? Aber nein, Tante Elzbièta hatte eben noch telefoniert. Bille fühlte sich wie gelähmt. Da saß sie und konnte absolut nichts machen, außer zu warten. Aber worauf?
    Wenn sie nicht so unglücklich gewesen wäre, hätte sie über den Anblick lachen können, den die Geschwister und sie boten: Drei Jammergestalten, die in sich gekehrt auf ihren Stühlen hockten wie die Nebelkrähen im Winter auf den kahlen Bäumen.
    Plötzlich schreckten sie hoch. Ein Wagen war in den Hof gefahren. Ein fremder Wagen. Sie liefen zum Fenster. Es war eine russische Luxuslimousine, die sich klappernd und mit röhrendem Motor näherte. Ihr dumpfes Schwarz wirkte unheimlich. Noch bedrohlicher aber war der leere Hänger, der sich jetzt in ihr Blickfeld schob und direkt vor dem Fenster hielt. Bille sah die Geschwister fragend an.
    Agnieszka war noch um einiges blasser geworden. „Der Pferdehändler vom Schlachthof! Das verstehe ich nicht, was will er jetzt schon hier? Irgendjemand muss ihm etwas verraten haben .. Es folgten ein paar schrille, angstvolle Ausrufe auf Polnisch, die an Tomek gerichtet waren.
    Bille sprang auf und rannte hinaus auf den Hof. Der fette Mann, der sich vom Fahrersitz erhob und sich kurzatmig ins Freie kämpfte, war ihr sofort unsympathisch. Sein stark aufgedunsenes Gesicht, in dem die Augen zwischen schwammigen Wülsten fast verschwanden, zeugte von übermäßigem Alkoholgenuss . Den roch man auch, sobald man sich ihm näherte. Im Mundwinkel balancierte er eine halb gerauchte Zigarre, und der Hut, den er sich jetzt in den Nacken schob, hatte klebrige Schweißränder. Der Mann, er musste an die fünfzig Jahre alt sein, musterte Bille abschätzend, wobei er etwas grunzte, was vermutlich eine Begrüßung sein sollte. Dann sah er sich um.
    „Was wollen Sie hier?“ Bille baute sich vor ihm auf und sah ihn mit kampflustig blitzenden Augen an. Sie wunderte sich darüber, wie stark und überlegen sie sich auf einmal fühlte. War es, weil das Auftreten des Feindes die lähmende Tatenlosigkeit beendete? Agnieszkas Verzweiflungsausbruch steigerte ihren Zorn auf den Dicken noch.
    Der Mann sprach offensichtlich kein Deutsch. Soweit Bille begriff, fragte er nach Kasimir und Janina, dann deutete er zum Stall hinüber.
    „Herr und Frau Orsowski sind nicht da. Kommen Sie ein andermal wieder. Es wäre besser, Sie riefen vorher an, damit sie den Weg nicht umsonst machen“, erklärte Bille kühl, obwohl sie wusste, dass er kein Wort verstand. Aber was auch immer sich hier anbahnte, sie musste Zeit gewinnen.
    Hinter ihr tauchten jetzt die Geschwister auf. Angesichts von Billes Entschlossenheit hatte Agnieszka sich gefasst und stellte sich neben die Freundin, um für sie zu dolmetschen. Tomek trat an Billes andere Seite, bereit sie zu schützen, wenn es nötig sein würde. So wie sie den unangemeldeten Besucher ansah, musste man befürchten, dass sie sich jeden Augenblick auf ihn stürzen würde.
    Unter den Blicken der Deutschen fühlte der Dicke sich offensichtlich unbehaglich, er sprach jetzt auf Agnieszka ein und ignorierte Bille, die direkt vor ihm stand.
    „Er sagt, er würde die ersten Pferde schon jetzt abholen, dann könnten sie morgen gleich mit einem Transport nach Spanien mitfahren, auf dem noch Platz ist.“ Agnieszka hatte Mühe, das Zittern in ihrer Stimme zu verbergen.
    Bille wandte sich an Tomek . „Sag ihm, hier gäbe es keine Pferde abzuholen. Er hat keinen Vertrag, die Pferde sind noch nicht an ihn verkauft worden, und sie werden auch nicht an ihn verkauft. Erklär ihm, dass ihr in Deutschland Interessenten für sie habt. Vergesst nicht, dass die Bank euch eine Frist von vier Wochen gewährt hat, eure Schulden zu bezahlen. Er hat keinerlei Recht, euch die Pferde wegzunehmen!“
    Bei der folgenden heftigen Auseinandersetzung war Bille froh, dass sie kein Polnisch verstand. Vielleicht hätte sie sonst doch noch der Mut verlassen. Wie Agnieszka ihr übersetzte, drohte der Mann ihnen. Er behauptete, der Verkauf sei bereits mit ihrem Vater abgesprochen, und wenn sie die Pferde jetzt nicht herausrückten, würde er später nur den halben Preis für sie bezahlen. Das würden sie dann vor ihren Eltern verantworten müssen. Offensichtlich ließ er auch keinen Zweifel daran, dass er kein Wort von dem glaubte, was
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