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Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Titel: Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
Autoren: Tanja Schröder
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Wenn nicht durch Worte, dann auf die Art, die sie so gut verstand, wie nur er selbst.
    Sie suchte ja, kam ihm entgegen. Ihr Geist griff mit aller Macht nach dem seinen. Die Kraft, die in ihr lag, erschreckte und faszinierte ihn zugleich. Beinahe, und ohne sein Zutun durchbrach sie die Grenze, und einmal überschritten, ließ er sie ungehindert passieren.
    Ja, mein Liebes, ja, komm und sieh selber, erblicke alles. Verstehe mich. Nimm von mir, was du sehen willst. Aimee mit ihren Dunkelteichaugen, Melacars Purpurhimmel und die grünen Täler, die Leuchtende Stadt T´ael. Fühle, wie ich lief, flog, spüre, was es heißt, ein Hirudo zu sein. Nimm meine Entscheidung, dich nicht zu holen. Fühle meinen Schmerz, den ich nicht vergeben kann. Nimm alles. Begreife, und mehr noch ...
    «Nein!», gellte sie und stieß ihn mit aller Kraft von sich. «Hör auf!»
    Das war zu viel, zu stark. Sie erstickte unter der Flut, die er über sie hereinbrechen ließ. Sein ungehaltener Schmerz und seine Sehnsucht brachen ihr das Herz. Sie stürzte, fiel. Keuchend und am ganzen Leib bebend lag sie am Boden. Sie spürte das Streicheln seiner Hände auf ihrem Haar. Eine sanfte Berührung, mit der er versuchte, sie zu beruhigen und zugleich um Verzeihung zu bitten.
    Hilfe suchend, wie eine Ertrinkende streckte sie beide Arme nach ihm aus und klammerte sich an ihn.
    «Hör auf!», schluchzte sie hemmungslos. «Hör bitte auf!»
    «Vergib mir, Karen! Vergib mir!», keuchte er, das Gesicht in ihrem Haar vergraben. Er hielt sie so fest umschlungen, dass sie kaum atmen konnte. Das war egal. Sie wollte nicht mehr atmen, nicht mehr denken. Sie wollte sich nur noch ganz dem Schutz seines Haltes ergeben, ohne den sie ihr ganzes Leben gewesen war. Sie wollte ihren eigenen Duft in seinem finden, ihre Haut in seiner, die Kraft ihrer eigenen Gedanken in seinen. Dieser Teil von ihr, der immer fehlte - jetzt endlich wurde er ganz und heil.
    Irgendwo tief in ihr, dort, wohin außer ihr nur Lucas mit seinen besonderen Augen sehen konnte, fügte sich etwas zusammen und wurde eins.
    Jener Teil in ihr, der nie einen Spiegel sah, erkannte sich nun. In ihm.
    Doch das hier war kein Friede, kein Ende allen Zorns, keine heilige Vergebung. Was sie teilten, war Verstehen und der Wille, einander zu begegnen. Dieses Mal nur ohne den Schild seiner Lügen und ohne ihren Groll gegen ihn, der ihr bislang eine so gute Waffe gegen den Schmerz war.
    Wie Krieger mit gestreckten Waffen saßen sie sich gegenüber auf dem Boden von Denis Turmzimmer und sahen einander einfach nur an.
    Solange, bis Lucas sich erhob und zu dem kleinen runden Tisch neben der Lampe ging.
    Die Zeit war gekommen, Karen wissen zu lassen, wie sehr ihm, trotz seiner scheinbar so kaltherzigen Ignoranz, an ihr lag.
    Die schwarz gebundene Mappe auf dem Tisch sah so offiziell und abweisend aus, dass sie sein Geheimnis jahrelang sicher behütete. Niemand war auf den Gedanken verfallen, dass darin lag, worüber er manchmal nächtelang brütete. Jedes Mal, wenn er diesen schwarzen Ordner aufschlug und hineinsah, zwang ihn dessen Inhalt der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Ein Gesicht, das er nun berühren und ansehen konnte, und das so sanft und zornig und Angst einflößend sein konnte. Und das er so sehr liebte. In der Mappe waren hunderte Fotografien und steril klingende Berichte über seine Tochter abgeheftet. Bilder und Worte, die andere für ihn zusammentrugen und in denen er beides, Trost und Schmerz fand. Dokumentierte Jahre, die ihm doch nur eine Ahnung von dem was sein könnte, vermittelten.
    Wie schwer dieses schwarze Ungetüm war. Wie sein Herz? Nein, die Schuld seines Herzens wog tausendmal schwerer. Und die Furcht vor Karens möglicher Reaktion darauf, dass er sich seines Fehlers wohl bewusst gewesen war und dennoch nichts änderte, ließen es noch viel schwerer werden.
    Und selbst jetzt fragte er sich noch, ob er sie davon wissen lassen sollte. Vorhin schien ihm, das noch eine so gute Idee zu sein, und jetzt? Doch er musste ehrlich sein. Wollte er die Halbwahrheiten und Lügen beenden, dann alle und nicht nur jene, die ihm erträglich schienen.
    Langsam ging er zurück, setzte sich neben Karen und legte den Ordner vor ihr auf den Boden.
    Sie sah ihn an. Er lächelte. Unsicher, aber auch voll Zuversicht. Ebenso erschien ihr das neue Gefühl zu sein, das sie mit ihrem Vater verband. Zerbrechlich, und zugleich wie ein festes Band, das stark genug war, um ihm überall hin zu folgen. Verwundert sah sie den
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