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Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Titel: Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
Autoren: Tanja Schröder
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dicken Ordner an, den er nun wieder aufnahm und wie um sein Gewicht zu prüfen, in den Händen wog.
    Was wollte er ihr geben? Oder besser noch, welche Informationen konnte dieses Ding enthalten, die sie nicht schon längst aus Lucas selbst erfuhr? Sie wusste alles, was sie wissen musste. Sie wusste, dass er sie liebte und das von ganzem Herzen und auch, dass er aufrichtig versuchen wollte, alles Versäumte an ihr gutzumachen. Mehr wollte sie nicht. Seine Liebe und nur die.
    «Sieh dir das hier bitte an!», sagte er leise und streifte die Gummibänder, die die Mappe zusammenhielten, herunter und legte sie aufgeklappt in ihren Schoß.
     «Was ist das?», fragte sie schnupfend. Mit dem Pulloverärmel wischte sie sich über das Gesicht und tupfte die schon halb getrockneten Tränen aus den Augen. Angewidert sah sie die dunklen Blutflecken auf dem hellen Stoff des Pullovers. Rund um ihren Hals war auch alles voll. Hastig riss sie sich den schmutzigen Fetzen vom Leib und schleuderte ihn weit von sich.
    «Wenn du willst, hole ich dir was zum Anziehen?», fragte Lucas, als sie am schwarzen T-Shirt zupfte, das sie unter dem Pullover trug.
    «Ist schon gut, ich hab ja noch was drunter. Das reicht erst mal», erwiderte sie und schlug eilig die Mappe auf.
    Während des Kampfes war nur wenig von Jarouts, Lucas und ihrem Blut durch den Pulloverstoff gesickert. Damit konnte sie leben.
    «Ich, ehm, dieses, wie soll ich es nur erklären? Darin ist alles, was ich dir zu sein wagte. Alles, was ich für Dich tun konnte, war aus der Entfernung auf dich aufzupassen. Gegen den Willen der Familie, gegen meine Feigheit ... alles.» Wie hilflos er klang. Was war das, was sie sich ansehen sollte und das ihn so ohnmächtig und ausgeliefert fühlen ließ? Ungeduldig blätterte sie die ersten Seiten um, auf denen eine Art Inhaltsverzeichnis mit Zahlen und Daten aufgeführt war. Lucas beobachtete sie mit ängstlichem Blick. Sie blätterte weiter.
    Fassungslos hielt sie den Atem an. Da waren ja Fotos von ihr. Sorgfältig, in Schutzhüllen abgeheftete Aufnahmen von ihr. Sie sah sich selbst als Kind, kaum älter als drei Jahre, im Garten hinter dem Haus ihrer Mutter. Ähnliche Bilder waren zu Hause in den Alben, zu Dutzenden lagen sie auf dem Dachboden. Karen in niedlichen Kleidchen mit Lutscher und putzigen Zöpfen, später in Schuluniform auf dem Weg zur Schule. Im Teenagerschlabberlook mit dreizehn, Hand in Hand mit Fred McClure, kichernd mit Melissa und Sally. Karen allein, Karen mit Aimee, Karen mit Peter und auf etlichen alle drei zusammen. Hunderte Fotografien, die chronologisch jeden Abschnitt ihres Lebens dokumentierten. Das Einzige, was die Bilder in Lucas Mappe von den Dachbodenbildern unterschied war, dass sie heimlich aufgenommen waren. Auf beinahe jedem war eine Hausecke, ein Stück Zaun, Blätter oder ein Autodach zu sehen. Verstecke, in denen der Fotograf in Deckung gegangen war.
    Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein? Vor jeder Schutzhülle war eine Seite mit einem Bericht. 14. April 1987 stand als Datum auf der Seite, die gerade aufgeschlagen vor ihr lag. Das war ja gerade mal zehn Tage nach ihrem Geburtstag. Sie war neun Jahre alt geworden - unglaublich. Stirnrunzelnd blätterte sie weiter.
    Das Journal endete ... im letzten Jahr und mit einem Bild von ihr auf dem Friedhof von Dorkin, wo Aimee beerdigt lag.
    Minutenlang starrte sie dieses Bild an. Lucas hatte sie also die ganze Zeit über, von ihrer Geburt an, beobachtet, oder beobachten lassen. Was war mit ihrer Suche nach ihm - hatte er auch davon gewusst? Und seinen Sohn ... oh mein Gott, Karen hör auf mit dem Scheiß, dachte sie und sah ihn an. Wie paranoid wollte sie noch werden. Nein, sein Blick war ehrlich und versuchte, nichts zu verbergen. Er zeigte ihr diese Fotografien und die Berichte, um ihr klar zu machen, dass er ...
    «Ich war immer in deiner Nähe, Karen. Ich weiß, nicht auf die Art, wie du mich gebraucht hättest, aber auf die einzige Art, auf die ich es sein konnte», sagte er leise. Seine Stimme klang rau und gepresst, als kämpfe er gegen aufsteigende Tränen.
    «Keine Angst, das sind nur Fotos. Ich habe sie immer angewiesen, kein Gespräch oder Sonstiges zu belauschen. Nur Aufnahmen und welche Schule du besuchst, wie deine Freunde aussehen, ob du Reitunterricht nimmst oder Geige spielen lernst.» Lucas lächelte schräg, als wolle er sagen: Du weißt schon. Der ganze Kram. Was Väter eben so interessiert. «Das war, was ich
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