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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende
Autoren: Petra Kirsch
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auch dabei sein. Meinst du, du schaffst das?«
    »Klar schaffe ich das. Was für eine Frage, Paula! Warum willst du nicht dabei sein? Interessiert dich das nicht?«
    »Nein, Wirtschaftsdelikte im Planungsstadium von Möchtegern-Ganoven interessieren mich nicht. Und inwiefern das Beihilfe zum Mord war oder nicht, wirst du auch allein herausfinden. Ich will jetzt diesen Fall abschließen, der mir langsam, aber sicher zum Hals raushängt. Schickst du mir bitte die Frau Brunner heraus?«
    Während sie auf die Anwärterin wartete, kippten ihre Sicherheit und Siegesgewissheit um in Nervosität und Abscheu vor dem, was ihr jetzt bevorstand: eine bohrende Fragerei, Angriff und Rückzug, eine aggressive Unterstellung, daraufhin vorgetäuschtes Verständnis für den Täter und sein Motiv, dann wieder eine tiefe Verletzung seines Ehrgefühls, hin und her, bis er schließlich gestand. Insgeheim glaubte sie, es würde nicht lange dauern. Denn sie kannte seinen wunden Punkt. Er würde, so hoffte sie, schnell die Beherrschung verlieren.
    Als sie mit ihrer Mitarbeiterin über den Hof lief, fragte Eva Brunner: »Wohin fahren wir jetzt, Frau Steiner?«
    »Zu Kramers Mörder.«
    Den ganzen Weg über herrschte konzentriertes Schweigen in dem Polizeiauto. Als sie die Südwesttangente überquert hatten, fragte sie: »Können Sie sich noch an unsere erste gemeinsame Fahrt hierher erinnern, Frau Brunner?«
    »Ja«, lautete die prompte Antwort von der Fahrerseite, »sehr gut. Wir haben damals vor dem leeren Grundstück mit dem Wohnwagen geparkt. Und sind die paar Meter zu Fuß gegangen, weil Sie noch eine rauchen wollten.«
    »Exakt. Und genauso machen wir es heute auch.«
    Nachdem sie ihre Kippe im Rinnstein entsorgt hatte, betraten sie den Hof der Spedition. Auf ihr Klingeln öffnete ihnen eine Frau in ihrem Alter.
    »Ja, bitte?«
    Sie zeigte ihren Ausweis. »Wir haben einen Termin bei Herrn Siegfried Frey. Bemühen Sie sich nicht, wir kennen den Weg.«
    Vor Freys Büro holte sie tief Luft, dann klopfte sie und trat ein. Frey senior sah erstaunt von einem Stapel Papiere auf. Er trug dieselbe graue Strickjacke wie beim letzten Mal, dieselbe ausgebeulte braune Cordhose.
    »Wir müssen mit Ihnen reden.«
    »Gern, setzen Sie sich doch.« Dieser Einladung folgte ein freundliches Lächeln.
    Sie musterte ihn lange, dann sagte sie: »Wir haben Ihren Sohn soeben verhaftet.«
    Das Lächeln erstarb. »Was werfen Sie ihm vor?«
    Sie ging gleich zum Angriff über. »In erster Linie Mord an Karsten Kramer. Eventuell auch Beihilfe zum Mord an Abdulaziz Shengali, hier ermitteln wir noch, versuchte Nötigung zu einer kriminellen Handlung und so, wie es aussieht, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.«
    Frey, dem nichts anzumerken war, ließ sich ihre Worte gründlich durch den Kopf gehen. Dann entgegnete er: »Mit dem Mord an Abdu hat mein Sohn nichts zu tun. Er hat ein Alibi, er war zu dem Zeitpunkt in Ansbach. Er kann es gar nicht gewesen sein. Und was soll das für eine kriminelle Vereinigung sein, deren Mitglied er angeblich ist?«
    »Die albanische Mafia.«
    »So ein Blödsinn, das glauben Sie doch selbst nicht! Was hat mein Sohn mit der Mafia zu tun?«
    »Zum Beispiel den illegalen Transport von Waren über die Gren …«
    »Mit dem Zigarettenschmuggel von diesem Kramer hat mein Sohn nichts zu tun.«
    »Dann ist es ja gut, dann hat er in diesem Punkt nichts zu befürchten. Aber wie ich schon sagte, die Beihilfe zum Mord und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung werden nur die Nebenanklagepunkte der Klageschrift sein. Die Hauptanklage lautet auf Mord. Das bedeutet eine langjährige Haftstrafe. Ich fürchte, die geplante Firmenübergabe an Ihren Enkel im Jahr 2038 können Sie sich endgültig aus dem Kopf schlagen.«
    »Joachim kann es nicht gewesen sein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er zu diesem Zeitpunkt, den ganzen Abend, hier war, hinten in seinem Musikzimmer.«
    »Genau dasselbe sagt er auch. Aber wir haben eine Zeugin, die ihn im Treppenhaus von Kramers Agentur gesehen hat.«
    »Eine Zeugin?«
    »Ja. Mal eine andere Frage: Woher wissen Sie eigentlich so genau Bescheid über den Mord an Kramer, dass Sie sogar den Tatzeitpunkt kennen?«
    »Es stand doch in der Zeitung.«
    »Nein, da muss ich Sie korrigieren. Es stand nichts in der Zeitung, weder über den Mord noch über die Tatzeit.«
    Frey schloss die Augen. Er verzog das Gesicht zu einem Weinen. Aber er weinte nicht, es war keine Träne zu sehen. Diese Generation, dachte
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