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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende
Autoren: Petra Kirsch
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stellen, sagte sie zu der Anwärterin: »Wo haben Sie eigentlich Ihre Waffe, Frau Brunner?«
    »Hier in Ihrem Waffenschrank, so wie es sich gehört.«
    »Gut. Die brauchen wir nämlich jetzt gleich. Wir drei fahren in die Donaustraße und werden den Frey festnehmen und uns vorher noch ein wenig mit ihm unterhalten.«
    Eva Brunner schlug sich mit der Innenfläche ihrer rechten Hand auf die Stirn. »Das tut mir leid. Das habe ich vergessen, Ihnen zu sagen: Der Frey ist schon im Haus, die Pforte hat mich vor einer halben Stunde angerufen und ihn angemeldet.«
    »Wo ist er jetzt, immer noch im Eingangsbereich?«, fragte Paula Steiner unbeeindruckt von dieser Vergesslichkeit, zu der sie ihre eigene gleich dazu addierte. Genau, der Juniorchef wollte ja heute »auf jeden Fall, hundertprozentig« ins Präsidium kommen.
    »Nein. Ich habe ihn in das große Vernehmungszimmer bringen lassen.«
    »Also, dann gehen wir, Frau Brunner, Heinrich.« Sie griff nach der Akte »Kramer, Karsten« und schloss die Tür.
    Als sie ins Vernehmungszimmer traten, stand der Juniorchef sofort auf und reichte zunächst ihr, dann Frau Brunner und schließlich Heinrich die Hand. Er hatte frisch gewaschene Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren, trug ein kurzärmliges weißes Oberhemd, das um die Körpermitte bedrohlich spannte, und eine saubere schwarze Jeans. Biss-Spuren konnte sie nicht entdecken.
    »Schön, Herr Frey, dass Sie doch noch den Weg zu uns gefunden haben. Sie wollten aber ursprünglich mit Ihrem Anwalt kommen, oder täusche ich mich?«
    »Den brauch ich net. Man kann mir nix vorwerfen.«
    »Da wäre ich mir an Ihrer Stelle nicht so sicher.« Sie stellte das Mikrofon auf den Tisch und schaltete den Rekorder ein.
    »Sie haben Kramer Ihren Wagen ausgeliehen. Warum haben Sie das getan, Herr Kramer hat doch selbst einen Audi?«
    »Er wollte ihn für eine Spritztour haben, und ich hab ihm den Chrysler gegeben. Das ist doch nicht strafbar. Vielleicht wollte er mal was anderes fahren als seine langweilige schwarze Mittelklassekiste.«
    »Das heißt: Sie hatten keine Ahnung, dass Herr Kramer Ihren Crossfire nur dazu brauchte, um den ermordeten Shengali von Kinding nach Nürnberg zu transportieren?«
    »Nein, natürlich nicht, dann hätte ich ihm doch nie …«
    »Das habe ich mir gleich gedacht«, fiel sie ihm ins Wort. »So habe ich Sie auch eingeschätzt. Als einen Mann von Ehre, der nie und nimmer etwas Kriminelles tun oder der Polizei gegenüber strafbare Handlungen verschweigen würde.«
    Heinrich beobachtete sie aufmerksam und fragend. Er konnte den Nutzen dieses neuartigen Spiels, das dem Verdächtigen harmlose Antworten geradezu in den Mund zu legen schien, offenbar nicht erkennen.
    »Und dann waren Sie auch nicht der anonyme Anrufer, der der Polizei den herrenlosen Lkw auf der Kindinger Parkbucht gemeldet hat?«
    »Nein, das wäre ja blöd von mir gewesen, weil ich …«
    »Stimmt, natürlich wäre das blöd von Ihnen gewesen«, unterbrach sie ihn sanft und lächelnd. »Nun zu einem anderen Thema.« Sie klappte die Akte auf und entnahm ihr das oberste Dokument. »Kennen Sie diesen Mann?«
    Joachim Frey erschrak, als er sich über das Foto beugte. Es war ein ehrliches Erschrecken, da hatte sie keinen Zweifel. Er sah Kramer in diesem Zustand, die grausig verzerrten Gesichtszüge, der halb geöffnete Mund, die weit aufgerissenen, hervorquellenden Augen, die deutlichen Würgemale an seinem Hals, zum ersten Mal.
    »Ich wiederhole meine Frage, Herr Frey, kennen Sie diesen Mann? Haben Sie ihn schon einmal gesehen?«
    »Ja. Das ist der Karsten. Karsten Kramer. Ist er tot?« Seine Stimme, die bislang zwischen höflicher und drohender Tonlage geschwankt hatte, klang nun angespannt und rau.
    »Schön, dass Sie sich erinnern. Ja, er ist tot. So tot wie Abdulaziz Shengali nach der Fahrt in Ihrem Crossfire.«
    »Ermordet?«
    »Es sieht so aus. Oder denken Sie, das ist eine nachgestellte Szene wie beim Laienspieltheater von Oberammergau?«
    »Wer tut so was?«, fragte er kaum hörbar.
    »Meinen Sie jetzt den Mord an Shengali oder an Kramer?«
    »Natürlich an Kramer.«
    »Natürlich an Kramer«, wiederholte sie gedankenverloren seine letzten Worte und schaltete den Kassettenrekorder wie beiläufig aus.
    »Ja, Herr Frey, lesen Sie denn keine Zeitung? Die Zigaretten-Mafias machen doch seit Wochen schon einen Kahlschlag durch die mittlere und untere Ebene ihrer Konkurrenten. Letzte Woche die drei Morde in Berlin, davor die Sache mit
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