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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende
Autoren: Petra Kirsch
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den zwei Lagerverwaltern in Tirana, am Montag der Doppelmord an den Spediteuren in Tschechien, am Dienstag die erhängten Vietnamesen an der tschechisch-deutschen Grenze und eben auch Herr Kramer. Gestern wieder zwei tote Lkw-Fahrer aus Bosnien, aber die hatten nicht so viel Glück wie Ihr Geschäftspartner – da war vom Gesicht nichts mehr zu erkennen. Und wer weiß, wer der Nächste ist?«
    Frey zögerte. Er schwieg und überlegte. Es fiel ihm schwer, das war zu sehen. Denken war seine Sache nicht. Sie gab ihm eine kleine Hilfestellung.
    »Vielleicht Sie? Ihr Name taucht nämlich auch in den Protokollen unseres Informanten auf. Zwar nur am Rand, aber immerhin.«
    »Welcher Informant?«
    »Ein hochrangiges Mitglied aus dem südosteuropäischen Zigarettensyndikat hat sich entschlossen, aus der Szene auszusteigen und uns als Kronzeuge zur Verfügung zu stehen. Als solcher genießt diese Person natürlich sämtliche Vergünstigungen unseres Zeugenschutzprogramms, und schon von daher kann ich Ihnen den Namen nicht nennen. Wofür Sie sicher Verständnis haben.«
    Wieder dachte Frey nach. Sie ließ ihm Zeit bei dieser für ihn ungewohnten Tätigkeit. Sie wusste, am Ende würde er sich für das Richtige entscheiden. Das Richtige für alle in diesem Raum. Sie drückte die Start-Taste des Rekorders.
    »Aber wir haben doch noch gar nichts gemacht«, sagte er schließlich, und sie bezweifelte nicht, dass er die Wahrheit sprach. »Bis jetzt hat es ja noch nicht geklappt. Das war nur ein Gedanke von uns, sozusagen in der Planungsphase. Das ist doch nicht strafbar. Wie sind die überhaupt auf uns gekommen, ich kann mir das gar nicht vorstellen …«
    »Wer redet denn von Strafe, Herr Frey? Wir nicht. Vielleicht sollte ich der Vollständigkeit halber noch ergänzen, dass Frau Blahotova gestern Nacht verhaftet wurde.«
    »Die Susi!«, schrie er, blutrot vor Wut. »Die ist doch an allem schuld. Die hat uns doch, den Karsten und mich, erst auf die Idee gebracht, dass damit Geld, viel Geld und leichtes Geld, zu verdienen ist. Die Matz, die elende!«
    Mit diesem Wutausbruch hatte Frey, ohne dass er das ahnen konnte, der Leiterin der Kommission 4 einen großen Dienst erwiesen. Sein entrüstetes Geschrei hatte ihr Gedächtnis schlagartig aktiviert, dank des Juniorchefs konnte sie die Fahndung nach dem »vagen Gefühl« einstellen. Genauso empört und lautstark polternd war auch sie erst vor Kurzem gewesen. Siegfried Frey gegenüber, dem sie eine monströse Gefühlskälte unterstellt und der doch so ein weiches Herz hatte. So viel Liebe, die sich aus seiner Sicht in einem Kapitalverbrechen Bahn brechen musste. Gewiss, die größte Schuld an dieser Vergesslichkeit trug sie, aber einen gewissen Teil daran wälzte sie auch auf die Agentur für Arbeit ab – auf sie und ihr Amtsdeutsch. Solche Vokabeln wie EGZ und Vorbeschäftigungsverbot boten sich ja geradezu an, von jedem normalen Gedächtnis bestreikt zu werden!
    »Einen Augenblick, bitte. Das erzählen Sie jetzt gleich alles Punkt für Punkt Herrn Bartels. Ich bin sicher, dass wir dann auch etwas für Sie tun können. Nur zwei Fragen noch: Wie hatten Sie sich denn die Aufteilung des Gewinns vorgestellt?«
    »Wir hatten halbe-halbe geplant, abzüglich der Kosten für die Fahrer, die ich zu tragen gehabt hätte, und des Anteils für die Susi, was Karsten übernommen hätte. Da hätte keiner meckern können, ein anständiger Deal unter Männern.«
    »Sehr anständig, ja. Und bei der Ermordung von Shengali haben Sie auch halbe-halbe gemacht, oder?«
    »Nee. Das war Karstens Idee. Der hat, nachdem Abdu in seinem Büro aufgekreuzt ist, gesagt: Der muss weg. Er erledigt das. Dafür wollte er auch eine höhere Provision. Aber da hätte ich nicht mitgespielt, da hätte er sich die Zähne bei mir ausgebissen.«
    »Dann wissen Sie sicher auch, warum Kramer dies ausgerechnet im Altmühltal, auf dieser Kindinger Parkbucht erledigen wollte?«
    Auch diesmal zögerte er keine Sekunde mit seiner Antwort. »Klar, die hat sich doch geradezu angeboten. Erstens lag sie auf Shengalis Route, zweitens war sie weit abgelegen vom Schuss, das heißt: keine Zuschauer, und drittens hatten Karsten und ich trotzdem nur eine verhältnismäßig kurze Anfahrt von Nürnberg aus. Ich musste ja auch irgendwie wieder zu meinem Lkw kommen.«
    Sie gab Heinrich ein Zeichen, ihr nach draußen zu folgen. Vor der Tür sagte sie zu ihm: »Mir wäre lieb, du würdest das jetzt allein zu Ende bringen. Der Amberger sollte später
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