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Das Ende aller Tage

Das Ende aller Tage

Titel: Das Ende aller Tage
Autoren: Brian W. Aldiss
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Prolog
     
    Von den Gesetzen, die wir aus unserer natürlichen Umgebung folgern können, steht eines an erster Stelle: das Gesetz der Vergänglichkeit. Nichts ist von Dauer.
    Die Bäume fallen Jahr um Jahr, die Gebirge zerbröckeln, die Sternsysteme brennen wie riesenhafte Wachskerzen aus. Nichts hat Bestand – außer der Zeit. Das Universum vergeht, aber die Zeit dauert an. Die Zeit ist unendlich, sie ist der wahre Held. Menschliche und nichtmenschliche Charaktere sind an die Zeit geheftet wie Schmetterlinge an ein Stück Karton; obwohl ihre Farben noch leuchten, ist ihr Flug längst vergessen.
    Wie ein Element, das fest, flüssig oder gasförmig sein kann, hat die Zeit drei Zustände. In der Gegenwart ist sie ein Fluß, den wir nicht fassen können. In der Zukunft ist sie ein alles verschleiernder Dunst. In der Vergangenheit hat sie sich verfestigt und ist wie mit einer Glasur überzogen; dann nennen wir sie Geschichte. Dann kann sie uns nichts als unsere eigenen fragenden Gesichter zeigen. Sie ist ein trügerischer Spiegel, der nur unsere begrenzten Wahrheiten reflektiert. Sie ist so sehr Teil des Menschen, daß Objektivität unmöglich ist; so neutral, daß sie feindlich erscheint.
    Einige der folgenden Berichte wurden von den beteiligten Personen geschrieben. Manche sind Rekonstruktionen. Andere mögen Mythen sein, die lange genug als wahr ausgegeben wurden, um für Wahrheit gehalten zu werden. Alle sind fragmentarisch.
    Der Spiegel der Vergangenheit ist zersplittert, und seine Scherben liegen herum. Einmal bedeckte er die Wände von Palästen; nun sind nur noch einige Bruchstücke übrig, und diese halten Sie in Ihrer Hand.
     
Das Zeitalter des Krieges
     
    Das erste Fragment stammt von einer seltsamen vergangenen Welt, wo die Gewitterwolken des Nationalismus aufgezogen sind und sich im Sturm des Krieges entladen haben. Über die vergessenen Kontinente Asien, Amerika und Afrika fliegen die Raketen der Zerstörung. Die bedrängten Menschen jener Tage haben die Natur des Kampfes noch nicht begriffen, der sie verschlingt.
    Die einfache Schwarzweißmalerei mit nur wenigen Grautönen, als die man dem gewöhnlichen Zeitgenossen die politische Situation darstellt, ist einfach genug zu verstehen. Aber hinter diesen vordergründigen Erklärungen liegen Faktoren, die in den Ministerien von Peking, London, Kairo oder Washington kaum verstanden werden – Faktoren, die der langen und barbarischen Vergangenheit der Rasse entstammen; Faktoren des Instinkts, der Angst und des dämmernden Gewissens; Faktoren, die dem Jünglingsalter einer Spezies untrennbar verbunden sind, die wie eine unüberschreitbare Gebirgskette hinter allem Handeln des Menschen stehen.
    So kämpften die Menschen gegeneinander, statt mit sich selbst zu ringen. Die Tapfersten suchten den Einflüssen des Hasses zu entgehen, indem sie sich den nächsten Planeten im Sonnensystem zuwandten; die Feigen, indem sie ihre Leben in riesigen Magazinen, Traumhäuser genannt, verschliefen, wo die Tröstungen der Phantasie den Krieg und seine Verheerungen vergessen machten. Doch weder das eine noch das andere bot sichere Zuflucht; wenn das Erdbeben kommt, wirft es den Turm genauso um wie die Hütte …
    Es ist passend, daß das erste Fragment mit einem Mann beginnt, der hilflos auf einem Stuhl sitzt, während Bomben fallen.
     
    *
     
    Der Direktor des Traumhauses 5 erhob sich von seinem Stuhl vor den schweigenden Schalttafeln. Die Sache mit Floyd Milton beunruhigte ihn. Von Zeit zu Zeit erinnerte ein fernes, dumpfes Krachen daran, daß der feindliche Angriff noch nicht vorbei war.
    Das machte den Direktor nicht ruhiger. Obwohl er unten in den Kellern, wo er Miltons Träume auszuspähen beabsichtigte, sicherer war als hier oben, waren es andere Überlegungen, die ihn veranlaßten, den Fahrstuhl zu nehmen und in die kühlen Tiefen des Traumhauses 5 hinunterzusinken. Er hatte Miltons Gesicht gesehen, als der Mann am Nachmittag gekommen war. Milton hatte wie der Tod ausgesehen.
    Die Schlafsäle waren wie gewöhnlich von den Ausdünstungen menschlicher Leiber erfüllt. Über allem hing der Gestank der alkoholischen Essenzen, die von den Robotermasseuren verwendet wurden.
    »Faulenzer!« sagte der Direktor laut in die Richtung der Schläferreihen. »Elendes Pack!«
    Sie lagen schlafend, die Köpfe unter den elektrischen Hauben fast verborgen. Gelegentlich, wenn die Zeit für die Massage gekommen war, wurde einer der Schläfer von den gummiüberzogenen Massagemaschinen
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