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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende
Autoren: Petra Kirsch
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sie, erstickt noch mal an ihren zurückgehaltenen Tränen.
    »Also, woher wissen Sie davon?«
    Sie erhielt keine Antwort. Frey saß nur da, mit gesenktem Blick, und betrachtete seine Hände. Nach langen Minuten gemeinsamen Schweigens sah sie sich zur abschließenden Offensive gezwungen.
    »Ach, jetzt verstehe ich, Ihr Sohn hat es Ihnen gesagt, dass und wann genau er Kramer umgebracht hat. Daher wissen Sie das alles. Woher sonst sollten Sie diese Kenntnisse auch haben als von Kramers Mörder selbst. Sie haben uns soeben den eindeutigen Beweis erbracht, dass Ihr Sohn Joachim Frey den Mord an Karsten Kramer verübt hat. Damit haben Sie der Polizei sehr geholfen. Wie es auch Ihre Pflicht als Staatsbürger ist. Sie haben sich richtig entschieden, zugunsten des Gesetzes, dafür danke ich …«
    »Hören Sie auf damit!«, schrie er. »Er kann es nicht gewesen sein, weil …«
    »Weil was?«
    Siegfried Frey starrte sie mit versteinertem Blick an. Er schluckte leer, mehrmals hintereinander.
    »So, das ist jetzt auch egal. Ich wollte Ihnen das nur persönlich sagen. Ich dachte, das bin ich Ihnen schuldig. Jetzt müssen wir aber zurück ins Präsidium, Frau Brunner. Wie spät haben wir jetzt, Herr Frey?«
    Als er die Strickjacke nach hinten schob, um auf die Uhr zu sehen, bemerkte sie am inneren Handgelenk eine winzige gerötete Stelle. Als er von seiner Uhr aufsah, trafen sich ihre Blicke. Sie konnte in seinen Augen nachvollziehen, wie er erkannte, dass er verloren hatte.
    »Sie hatten von dem geplanten Zigarettenschmuggel keine Ahnung. Bis zu dem Dienstagnachmittag, als ich Sie anrief und Ihnen sagte, Shengali und Ostapenko könnten nicht, wie Sie bis dahin geglaubt hatten, nach dreimonatiger Wartefrist wieder bei Frey-Trans eingestellt werden. Sie kannten dieses sogenannte Vorbeschäftigungsverbot nicht, wonach zwischen Aus- und Wiedereinstellung bei demselben Arbeitgeber mindestens vier Jahre liegen müssen, damit man den Eingliederungszuschuss von der Agentur für Arbeit erhalten kann.«
    Siegfried Frey nickte, langsam und schwer.
    »Daraufhin haben Sie mit Ihrem Sohn gesprochen, der Ihnen das sowie nach und nach auch alles Weitere gebeichtet hat. Also Kramers Mord an Shengali und den geplanten Schmuggel. Für Sie muss das entsetzlich geklungen haben. Dass Ihr Sohn Ihren und den guten Ruf Ihrer Spedition so leichtfertig aufs Spiel setzen kann.«
    »Ja, das war entsetzlich, ganz furchtbar für mich«, sagte er nach einer Weile. »Aber es kommt noch etwas hinzu. Mein Sohn und ich, wir hatten es in der Vergangenheit nicht leicht. Joachims Mutter ist gestorben, da war er zwölf. Seitdem habe ich versucht, ihn allein zu einem anständigen Menschen zu erziehen. Besonders gut geglückt ist mir das nicht, wie Sie schon bemerkt haben werden. Er war immer renitent, gegen alles, hatte an fast nichts Interesse außer an seiner Musik. Auch dass er einmal die Firma übernehmen sollte, hat ihn anfangs überhaupt nicht interessiert. Aber er hat sich dann dazu bereit erklärt, wahrscheinlich auch deswegen, weil er keinen ordentlichen Schulabschluss vorzuweisen hat. So ein Juniorchef-Titel, der einem quasi in den Schoß fällt, ist besser, als sein Geld mit irgendeinem Hilfsarbeiterjob verdienen zu müssen, oder? Trotzdem, Joachim hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen, mit dem Gesetz ist er nicht in Konflikt geraten. Darauf war ich immer stolz.«
    Während er erzählte, nickte Paula Steiner ein paarmal, nicht nur als Zeichen, dass sie Freys schwierige Erziehungssituation gut nachvollziehen konnte, sondern vor allem zu seiner Ermunterung. Hatte Siegfried Frey bis hierher beherrscht und um Verständnis bittend geklungen, wechselte er nun abrupt den Ton. Zornbebend brach es aus ihm heraus: »Und dann kommt dieser Sesselfurzer von Kramer daher, elegant, wohlhabend, feine Kleidung, und will meinen Joachim da mit hineinziehen. Und der dumme Bub hätte sich auch beinahe darauf eingelassen. Nur wegen dieses gottverdammten Geldes. Das konnte ich doch nicht zulassen.«
    Sie gab Eva Brunner ein Zeichen, Freys Festnahme und Überführung zu veranlassen. Als die Anwärterin nach draußen gegangen war, fügte er kaum hörbar hinzu: »Ich wollte ihm doch nur helfen.«
    Da überwältigte sie Mitgefühl für diesen Mann, von dessen grauer Strickjacke und weißem Haarkranz sie sich zweimal hatte täuschen lassen, und sie sagte mit fester Stimme: »Vielleicht haben Sie das ja. Bestimmt sogar. Ich bin überzeugt, er weiß jetzt, was er zu tun
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