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Nonstop in die Raketenfalle

Nonstop in die Raketenfalle

Titel: Nonstop in die Raketenfalle
Autoren: Stefan Wolf
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1. Gabys
neuer Teppich
     
    »Zieht gefälligst eure Latschen
aus!«, sagte Gaby. »Mit diesen Straßendrecksohlen kommt mir keiner hier rein.«
    Die Hände in die Taille
gestemmt, stand sie auf der Schwelle zu ihrem Zimmer und verwehrte den Weg.
Hinter ihr leuchtete der neue Teppich so hell und weiß wie frischer Schnee.
    Tim, Karl und Klößchen
tauschten untereinander einen viel sagenden Blick, hoben gleichzeitig die
Schultern und streiften die Walking-Schuhe ab. Oskar, der die Jungs schon unten
auf dem Hof begrüßt hatte, trottete an ihnen vorbei und durch Gabys gegrätschte
Beine hindurch. Er hinterließ feuchte Tapser, wohin er trat, denn heute begann
der November — an einem dunkelgrauen Montag — , und kalter Regen rauschte herab
aus dem Wolkenmeer über der Millionenstadt.
    »Oskar versaut deinen neuen Teppich«,
meinte Klößchen.
    »Oskar wohnt hier«, tat Gaby
das ab. »So, jetzt könnt ihr reinkommen.«
    Auf Strümpfen betraten die
Jungs Gabys Mädchenzimmer.
    »Donnerwetter!«, rief Tim. »Ist
das ein Teppich! Und so weiß! Wie praktisch!«
    »Zum Niederknien!«, feixte
Karl. Und tat’s auch, ließ sich nämlich auf die Knie sinken, nahm die Brille ab
und berührte den Teppich mit der Stirn wie ein betender Moslem.
    Klößchen bückte sich und
huldigte dem neuen Teppich mit einer Kusshand. »Der schönste Orientteppich, den
ich je sah!«
    »Oskar«, sagte Gaby zu ihrem
Cockerspaniel, »diese Doofbacken wollen mich veralbern. Dabei sind sie nur
neidisch. Denn weder bei Karl noch in der Bude Adlernest gibt’s einen so
schönen Flokati (griechischer Hirtenteppich). Und damit ihr’s wisst: Den
habe ich mir zusammengespart und selbst gekauft. Denn Wohnkultur ist mir
wichtig. Wenn ich da an euch denke — innenarchitektonisch wie die
Neandertaler.«
    »Das weisen wir zurück«,
grinste Tim. »Klößchen hat gestern unsere Bude verschönt. Durch das Aufhängen
eines Posters. Erst musste ein Nagel in die Wand. Sieh dir seine Daumen an.
Beide sind blau und passen kaum in die Hosentaschen.«
    »Ihr dürft euch auf meinem
Teppich niederlassen«, erklärte Gaby. Und die Jungs folgten der Einladung.
    Es war früher Nachmittag. Der
Wind peitschte Regen durch die Straßen der Innenstadt. Vermummte Fußgänger
waren unterwegs und sehr viele Autos. Im Flur hatten die Jungs ihre Regenjacken
an die Garderobe gehängt. Kommissar Glockner hatte Dienst im Präsidium und Gabys
Mutter war — wie so oft — unten in ihrem kleinen Feinkostgeschäft.
    Tim hockte im Schneidersitz und
wischte sich ein paar Regentropfen aus dem Gesicht. Aus den Augenwinkeln
beobachtete er seine Freundin. Pfote wird jeden Tag schöner, dachte er. Wohin
soll das noch führen?
    »Ich komme zur Sache«, sagte er
dann ohne Einleitung. »Für die Dezemberausgabe unserer Schülerzeitung fehlt
noch der kulturelle Beitrag. Laienbühne, Dichterlesung, Fotowettbewerb — hatten
wir alles schon. Jetzt brauchen wir ein Thema, das wirklich jeden interessiert.
Und dazu habe ich ‘ne Idee.«
    Auch Gaby hatte sich mit
untergeschlagenen Beinen auf den Teppich gesetzt — nicht ohne ihn ein bisschen
zu streicheln.
    »Und wann ist dir das
eingefallen?«, fragte sie. »Bis zur sechsten Stunde«, sie meinte den
Vormittagsunterricht, »hattest du nämlich noch keine Idee.«
    »Beim Mittagessen«, nickte Tim.
»Heute gab’s indischen Fisch, obwohl keineswegs Freitag ist. Es handelte sich
auch nicht um Fisch aus Indien, sondern um eine indische Zubereitung. Mit
orientalischen Gewürzen. Vor allem Curry. Irgendwem in der Küche ist dabei die
Hand ausgerutscht. Jedenfalls waren Fisch und Reisbeilagen so sauscharf, dass —
also den meisten liefen die Tränen. Klößchen hat trotzdem drei Portionen
vertilgt. Jetzt hat er innerlich Feuer. Sei’s drum. Aus dem indischen Curry
wurde meine Idee geboren, denn Karl hatte ja die Studentin nur kurz erwähnt.«
    »Ich verstehe kein Wort«, sagte
Gaby.
    »Du warst auch nicht dabei, als
Karl das erzählt hat. Dass sich nämlich bei seinem Vater«, bekanntlich handelt
es sich um den Mathe- und Physikprofessor Albert Vierstein, »für dieses
Semester eine Studentin aus Indien eingeschrieben hat: Indira Varanasi. Sie
studiert Mathe nur aus Interesse, studiert hauptsächlich europäische
Kunstgeschichte und Kulturwissenschaft. In Orientalistik (Orientalische
Sprachen und Kulturen) hat sie schon einen Abschluss. Ihre Examensarbeit
hieß ›Dolche des Orients‹. Und das hat mich umgefetzt. Denn diese kurzen
Blankwaffen sind ja nicht
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