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Duerers Haende

Duerers Haende

Titel: Duerers Haende
Autoren: Petra Kirsch
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hat.«
    Siegfried Frey saß noch immer kerzengerade auf seinem Stuhl, mit starrem Blick, die Hände der Länge nach auf den Schreibtisch ausgestreckt, als die zwei Polizisten sein Büro betraten.

11
    So weit, so gut. Und Trommens immer noch offene Teilrechnung? Keine Sorge, er hat bezahlt, mit Zins und Zinseszins. Und das – fast – ohne Zutun Paula Steiners. Durch einen dummen, oder sollte man nicht besser sagen: blitzgescheiten Zufall, wie ihn nur das Leben schreibt.
    Exakt eine Woche, nachdem die Kommission den Doppelmord geklärt, ihren Fall gelöst hatte, kam der oberste Dienstherr des Polizeipräsidiums Mittelfranken zu Besuch. Einmal im Jahr lädt sich der Innenminister des Freistaats Bayern bei den Nürnbergern ein. Das ist so Usus, die Innenminister kommen und gehen, aber diese Gewohnheit bleibt bestehen. Die Untergebenen vom Jakobsplatz reagieren auf diesen allerhöchsten Besuch mit durchaus gemischten Gefühlen. Die einen gelangweilt bis leicht genervt, andere wiederum mit einer emotionalen Kälte, die fast schon erschreckend ist, und manche freudig-erwartungsvoll. Es versteht sich von selbst, dass Jörg Trommen zur dritten Gruppe gehörte, ja, eigentlich als ihr inoffizieller Anführer galt. Er hoffte beziehungsweise er war sich sehr sicher, auch wegen seiner hervorragenden Beziehungen zum Leitenden Kriminaldirektor, dem Staatsminister persönlich vorgestellt zu werden. Und bei dieser Gelegenheit dem hochrangigen Gast seine Verdienste und Erfolge in jenen leuchtenden Farben schildern zu können, die diesem gewiss in Erinnerung bleiben würden, um dann, wenn eine Neubesetzung anstünde, ihre Wirkung zu zeigen.
    Trommen dachte in diesem Zusammenhang eine lange Zeit an Fleischmanns Position, kam dann aber, je näher der Termin rückte, zu der Einsicht, dass ein Leitender Kriminaldirektor wesentlich besser zu ihm passe. Dafür nahm er sogar eine zwei Wochen andauernde Diät auf sich. Denn die Polizeiuniform, die er – wie alle Angehörigen seines Sachbereichs – an diesem entscheidenden Tag zu tragen beabsichtigte, zwackte hier und dort. Vor allem an den Hüften hatte der Kommissionsleiter zugelegt, währenddessen die Jacke an den Schultern seltsamerweise blähte. Mit Hilfe seiner Frau und ihrer Engelsgeduld hatte er sich vierzehn Tage lang ausschließlich von lauwarmer Gemüsebrühe ernährt, ein Verzicht, der ihm an diesem so wichtigen Montag anzusehen war. Jacke und Hose schienen ihm wieder auf den Leib gebügelt zu sein.
    Nun endlich war der große Tag gekommen. Paula Steiner hatte in der Früh erstaunt und erfreut zugleich festgestellt, dass Eva Brunner in Zivil erschienen war, genau wie Heinrich und sie selbst. Es war exakt dreizehn Uhr fünfundvierzig, der Minister war seit einer knappen Stunde im Haus, als sie ihr Büro verließ, um die Kantine für ein spätes Mittagessen aufzusuchen. Ebenfalls um dreizehn Uhr fünfundvierzig verließ der Staatsminister die Kantine, wo er mit Fleischmann und Bauerreiß das Montagsmenü eingenommen hatte, nämlich Putenschnitzel mit Reis und als Dessert Obstsalat. Kaffee und dieser herrliche Zwetschgenkuchen aus der kleinen Bäckerei in der Maxfeldstraße sollten dann sozusagen als kulinarischer Höhepunkt des Nachmittags im Zimmer des Leitenden Kriminaldirektors folgen. Da sich der Innenminister innerhalb des Präsidiums so sicher wie in seiner Staatskanzlei fühlte – und dazu auch allen Grund hatte –, verzichtete er auf jeglichen Begleitschutz, als er sich auf den Weg in die Teppichetage einen Stockwerk tiefer machte. Er betrat den Lift um dreizehn Uhr sechsundvierzig und hätte diesen zehn Sekunden später wieder verlassen können, wenn nicht Paula Steiner den Aufzug kurze Zeit zuvor in ihre Etage gerufen hätte. So also fuhr der Aufzug inklusive seinem staatsministerlichen Fahrgast ins erste Stockwerk, um dort eine überraschte und auch ein wenig peinlich berührte Kommissarin aufzunehmen.
    Freundlich, aber knapp grüßte sie ihren obersten Chef mit einem unverfänglichen fränkisch-bayerischen »Grüß Gott«. Der Minister erwiderte den Gruß mindestens ebenso freundlich, wenn auch leutseliger: »Grüß Gott. Wir haben anscheinend den gleichen Weg, Frau …?«
    »Steiner. Das glaube ich nicht. Sie möchten doch sicher zu Herrn Bauerreiß oder Herrn Fleischmann. Und ich will in die …«
    Bevor sie weiterreden konnte, hielt der Aufzug mit einem kräftigen Ruck. Minister und Kommissarin sahen sich fragend an. Paula Steiner, die sich instinktiv für den
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