Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alison Wonderland

Alison Wonderland

Titel: Alison Wonderland
Autoren: Helen Smith
Vom Netzwerk:
Kapitel 1 – Der Flusskrebs
    Mein Name ist Alison Temple und ich hatte mir da diese Antwort angewöhnt, wenn Leute mich fragten, ob ich verheiratet sei. Ich sagte dann immer: »Ich warte auf Mr. Wonderland und wenn ich ihn finde, dann heirate ich ihn. Und bis dahin bleibe ich Single.« Doch Leute, die von dir wissen wollen, ob du verheiratet bist oder nicht, verstehen die Art von Humor nicht, die in dieser Antwort steckt.
    Ich war schon einmal verheiratet, für eine Weile. Ich dachte, mein Mann würde mich betrügen. Manchmal kam er spät nachhause und ich stand dann am Schlafzimmerfenster und schaute auf die Straße. Ich lehnte gegen den Fensterrahmen, drückte meine Stirn verzweifelt gegen die Scheibe und fragte mich:
Wen liebst du mehr als mich?
In der lautlosen Dunkelheit wartete ich, bis ich ihn um die Ecke biegen sah. Dann ging ich und legte mich ins Bett – mit ausdruckslosem Gesicht wie eine Wachsfigur und schweren, blutleeren Gliedern. Es war wie in einem dieser Krankenhaus-Albträume, wo du so viel Betäubungsmittel intus hast, dass du dich nicht mehr bewegen oder gar schreien kannst, aber nicht genug, um den Schmerz nicht mehr zu fühlen. Ich lag einfach nur da, mit geschlossenen Augen, damit dieses schwindelige Gefühl aufhörte, von dem ich annahm, dass es Wut sei. Dabei war es einfach nur Erleichterung, dass er überhaupt nachhause kam. Ich war mir niesicher, wen von uns beiden ich mehr verachtete. Nichts hielt mich bei ihm – kein Geld, keine Kinder, noch nicht einmal eine lange gemeinsame Vergangenheit. Einfach nur ein sonniger Tag und ein weißes Kleid. Ich blieb bei ihm, weil ich die
Alison Wonderland
nicht gehen lassen wollte, aber ich hasste ihn dafür, dass er mich nicht
mehr
liebte als irgendjemanden sonst. Ich stand am Fenster und fragte mich:
Wen liebst du mehr als mich?
Laut habe ich diese Frage nie gestellt.
    Ich dachte, wenn ich genau wüsste, dass er sich mit jemandem trifft, dann würde ich ihn verlassen. Dann würde ich nicht mehr da liegen müssen und warten, bis er eingeschlafen war, um seine Haut zu berühren und herauszufinden, ob sie sich vielleicht anders anfühlte, ob jemand anderes ihn berührt hatte. Ich war vierundzwanzig und fühlte mich wie gelähmt, weil ich jemanden liebte, der mich nicht genug liebte. Ich wollte ihn nicht wegen eines Verdachts verlassen, aber bleiben wollte ich auch nicht. Ich wartete auf ein Zeichen, irgendetwas, das diese Sache für mich erledigen würde. Eines Morgens beim Zeitunglesen, während ich wartete, dass das Wasser im Kessel kochte, damit ich mir einen Kaffee machen konnte, sah ich diese Annonce für ein Frauen-Detektivbüro und so fand ich also »Fitzgeralds Untersuchungsbüro. Absolute Diskretion garantiert.«
    Ich beauftragte jemanden, meinen Mann zwei Wochen lang zu beobachten und fühlte mich gut bei dem Gedanken, dass sich eine Frau darum kümmerte; ich dachte, sie würde es verstehen. War er untreu? Ich denke, ich wusste die Antwort tief in meinem Herzen, lange bevor sie in meinem Kopf ankam. Ich hatte die Detektei nicht beauftragt, damit sie bestätigten, dass er untreu war – ich wollte, dass sie mir sagten, dass ich falsch lag. Und ja, er war untreu.
    Die Frau, die ihn beobachtet hatte, nannte sich Mrs. Fitzgerald. Eine ordentliche, respekteinflößende Frau Ende vierzig mit leicht gewelltem Haar, im Nacken sehr kurz geschnitten, ein altmodischer Haarschnitt. Sie nannte ihre Brille Augengläser. Sie hingen an einer Kette, die sie niemals um den Hals trug, sondern herumschwenkteoder vor sich auf den Schreibtisch legte. Mrs. Fitzgerald hatte kleine, zierliche Füße, einen großen Busen und ein großes Gesäß. Falls man einem Gespräch beim Metzger lauschen würde, würde man Bewunderung mitschwingen hören, während die Männer hinter der Ladentheke sie als eine »kräftige Frau« bezeichneten.
    Sie reichte mir ein Farbfoto, das die Frage beantwortete, die ich nicht gewagt hatte, laut zu stellen. »Glauben Sie tatsächlich, er liebt sie mehr als mich?« Ich schielte nach dem Foto. Nach meiner Erfahrung aus Detektivfilmen hatte ich ein Bild in Schwarz-Weiß erwartet, aber natürlich war es viel billiger und schneller, einen Farbfilm zu benutzen und ihn bei Boots entwickeln zu lassen.
    »Nein, das glaube ich nicht, sie sieht für mich eher knochig und durchschnittlich aus.« Das rückte die Dinge für mich zurecht.
    Ich packte meine Sachen und verließ ihn. Ich hätte klammern können und weinen, ihn verführen, mit ihm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher