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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt
Autoren: André Ziegenmeyer
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einverstanden war. Aber er hatte nicht geglaubt, dass der brave kleine Bischof wirklich etwas unternehmen würde. Nun, einer tanzte immer aus der Reihe. Sein Verschwinden zu erklären, würde noch einmal etwas Mühe kosten, doch ernsthaft vermissen würde ihn niemand.
    Und all das spielte nun auch keine Rolle mehr. Theodosius de Vendetta wandte sich von den Dekorateuren ab und ging noch einmal einen Stapel von Dokumenten durch. Es waren die letzten Mitteilungen der Einsatzleiter rund um den Berg. Das Spektakel war abgeebbt, alle wesentlichen Gruppen von Fabelwesen wieder eingefangen. Einige Zwerge und ein Troll wurden noch vermisst, aber das war nur eine Frage der Zeit – von ihnen ging keine Gefahr aus.
    „Eminenz!“
    Theodosius blickte auf. Unterhalb der Brücke sah er seinen Assistenten, er wirkte recht aufgeregt.
    „Was gibt es, Donnerhobel?“
    „Seine Heiligkeit, Eminenz. Er kommt.“
    Noch einmal atmete Theodosius de Vendetta tief durch, dann setzte er sich in Bewegung. Den Stapel Berichte warf er unterwegs in einen Papierkorb. Auch sie waren nun nicht mehr wichtig. Dies war die Zeit der Ernte.

Anastasius XIII. fühlte sich in seiner Limousine nicht recht wohl. Er war es gewohnt, in einem gläsernen Fahrzeug durch von jubelnden Menschen gesäumte Straßen zu fahren. In einem einfachen schwarzen Panzerwagen quer durch ein mitteldeutsches Gehölz zu gondeln, gehörte dagegen nicht zu seinen favorisierten Tätigkeiten. Auch der Umstand, dass er sowohl vor wie hinter sich je eine weitere Limousine mit Schweizergardisten wusste, änderte an diesem Sachverhalt nichts Grundsätzliches.
    Nachdenklich blickte er aus dem Fenster. Er wusste, was ihn erwartete. Aber er war sich noch nicht sicher, ob es ihm gefiel. Anastasius XIII., dessen bürgerlicher Name einst Alvinus Meyer gelautet hatte, betrachtete Veränderungen mit einer gewissen Skepsis.
    Ein tief verankerter Teil seiner Persönlichkeit sagte ihm, dass sie eines Tages zu seinem Nachteil ausschlagen würden. Immerhin: Man hatte ihm versprochen, bei dieser ganzen Angelegenheit auf sein persönliches Ansehen zu achten, der versprochene Nutzen war erheblich – und so war es zumindest einen Versuch wert.
    Versonnen strich er über den reichverzierten Hirtenstab, der neben ihm auf dem Rücksitz lag. Es tröstete ihn immer ein bisschen, die feinen Konturen der mit Gold ausgelegten Schnitzereien unter seinen Fingern dahingleiten zu spüren. Dann klopfte er gegen die Scheibe zum vorderen Teil des Wagens und wies den Chauffeur an, sich zu beeilen.

„Nur aus Neugier gefragt: Was genau passiert eigentlich, wenn sich de Vendettas Plan erfüllt?“
    Williams Stimme klang durch das Glas ein wenig gedämpft. Mittlerweile hatten alle Gefangenen ausreichend Zeit gehabt, um sich mit ihren Geschichten auszutauschen. Die Stimmung des Kobolds war dabei eher noch düsterer geworden, was durchaus mit seinem misslungenen Rettungsversuch zusammenhing. Die Haarbüschel, die aus seinen Ohren ragten, sträubten sich wie die Enden zweier Reisigbesen. Der Bischof setzte zu einer Antwort an, und seine Augen trübten sich, als sie versuchten, in die Sphäre einer bedauerlicherweise nicht mehr allzu fernen Zukunft zu dringen.
    „Nun, über die genauen Einzelheiten bin ich nicht unterrichtet. Aber wenn der Papst vom Erfolg des Projekts überzeugt ist – und gegenwärtig sehe ich nur eine geringe Chance, dass dies nicht eintritt – dann wird er de Vendetta die Erlaubnis erteilen, das Unternehmen ‚Remagikalisierung’ in die letzte, entscheidende Phase zu führen.“
    Er räusperte sich kurz und versuchte, den fragenden Blicken der anderen auszuweichen. Sie alle bemerkten, dass das Licht der auf dem Boden liegenden Taschenlampe allmählich schwächer wurde.
    „Im Endeffekt läuft es auf Folgendes hinaus: De Vendetta wird in die Massenproduktion gehen. Er wird sein Konzept aus dem Schinkelstedter Übungsgelände heraus exportieren und den Aktionsradius ausweiten. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann dürfte diese Ausweitung erheblich sein.“
    „Von welcher Größenordnung sprechen wir hier?“
    „Es wird eine Weile dauern, für jeden Kulturkreis das passende Programm zusammenzustellen – norwegische Trolle in Äthiopien ergeben wenig Sinn. Wahrscheinlich werden de Vendettas Leute sogar einigen ernsthaften Schwierigkeiten begegnen, denn ich glaube nicht, dass im hiesigen Bestand für jeden etwas dabei ist. Bedauerlicherweise jedoch unterstelle ich ihnen mittlerweile eine
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