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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt
Autoren: André Ziegenmeyer
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Kapitel 1
„Böses Erwachen“
    Dampfwolken zischten aus verborgenen Ventilen hervor, als sich die Hochsicherheitsschleuse vor Bischof Korkenbaum öffnete. Unwillkürlich zuckte der alte Geistliche zusammen, während seine Finger weiterhin den großen, roten Knopf zu seiner Linken gedrückt hielten. Das Knirschen der Mechanik hallte hinter ihm durch das spärlich beleuchtete Tunnellabyrinth.
    Mit vernehmlichem Quietschen hob sich ein schweres Stahlschott, gelb-schwarze Markierungen glitten durch sein Blickfeld, das rote Licht der Warnlampen huschte über sein Gewand – und all das war nicht dazu angetan, die Stimmung des Bischofs zu heben. Auch der rote Widerschein, der sich in dem bronzenen Kruzifix auf seiner Brust fing und an die wildromantischen Zeiten der katholischen Kirche gemahnte, half da nicht weiter.
    Stattdessen brummte Korkenbaum grollend vor sich. Und es war gewiss kein ‚Ave Maria’, was ihm dabei über die Lippen kam. Auf seinem Gesicht, das mit den ernsten Zügen an einen griesgrämigen Dachs gemahnte, zeigten sich
deutliche Anzeichen fortgeschrittenen Unwillens.
    Sobald der Lärm verhallt war, setzte der Bischof seinen Weg fort. Dabei bewegten sich seine Füße schleppend, als koste ihn jeder Schritt eine gewisse Überwindung. Nach wenigen Metern betrat er eine große Halle. Riesige Regale ragten an ihren Seiten empor und verloren sich irgendwo unter der hohen Felsendecke. Dazwischen hasteten mehrere Dutzend Menschen umher. Etwa die Hälfte trug geistliche Gewänder, der Rest neonfarbene Signalwesten. In ihrer Weite wirkte die Höhle wie der in Stein gehauene Hangar eines Flugzeugträgers.
    Der Bischof blieb stehen und blinzelte im gleißenden Scheinwerferlicht.
    Als er sich ehedem für ein geistliches Leben entschieden hatte, da hatte die Aussicht auf Ruhe und Betulichkeit fernab weltlicher Wirren durchaus ihre Rolle gespielt. Auch die Perspektive auf eine geregelte Altersversorgung war nicht ganz reizlos. Und als er schließlich sogar den Bischofssitz von Bad Klöpplingen bekam, da war er vollauf zufrieden. Ein gemütliches Städtchen, das wie alle verschlafenen Orte vor allem auf seine Vergangenheit pochte, war ganz nach seinem Geschmack.
    Doch seit vor zwei Monaten dieser Brief aus Rom eingetroffen war, hatte sich die Lage entschieden verschlimmert. Zwar hatte Zacharias Korkenbaum nichts gegen ein wenig päpstliche Aufmerksamkeit einzuwenden, doch bisher hatte er sich diese in Form einer Seligsprechung gewünscht – und damit nach seinem Tode.
    Widerstrebend ging er weiter und hielt direkt auf das Durcheinander zu. Gabelstapler brummten, Schweißgeräte ließen ihre Funkenregen aufsprühen, und über allem lag ein monotoner Klangteppich aus Hämmern und Klopfen.
    Der Bischof mochte diesen Ort nicht. Die emsige Betriebsamkeit, all der neumoderne Firlefanz – nach Korkenbaums Dafürhalten sollte ein geistliches Leben beschaulich sein. Ein paar ordentliche Vaterunser mit einer Messe zwischendrin, auch ein paar Rosenkränze konnten nicht schaden. Dies hier jedoch schmeckte ihm viel zu sehr nach Aufregung. Und Aufregung, das sagten ihm die Erfahrungen eines langen und enthaltsamen Lebens, war früher oder später mit Ärger verbunden. Außerdem setzte sie seinem Magen zu, und irgendjemand würde ihm für diese zwei Monate Bauchgrimmen büßen.
    Am hinteren Ende der Halle erblickte der Bischof eine gewaltige Sammlung eiserner Container. Es war der einzige Bereich, in dem nicht mehr gearbeitet wurde.
    Mit den technischen Einzelheiten, dem genauen Wie und Warum kannte er sich nicht aus. Aber er war sicher, dass man von ihm erwartete, sich die dortigen Behälter zu besehen und verständig mit dem Kopf zu nicken.
    Ein weiteres Mal ließ Korkenbaum ein unterdrücktes Fluchen hören. Er hatte in jüngster Zeit einsehen müssen, dass es weit mehr Dinge auf der Welt gab, als er es sich zuvor hätte träumen lassen. Die meisten von ihnen legten die Vermutung nahe, dass man besser nicht mit ihnen herumspielte. Wahrscheinlich, so dachte er grimmig, geschähe es ihnen ganz recht, wenn ihnen der Berg einfach auf die Köpfe fiele.
    Diese Höhle war das Herzstück eines weitläufigen, unterirdischen Komplexes, in dem sie alle seit mehreren Wochen lebten. Bei den Arbeitern wurde sie „die Arche“ genannt – ein Name, den Korkenbaum für eine Bergwerkskammer reichlich unpassend fand. Auf der anderen Seite musste er zugeben, dass die Form der Höhle tatsächlich vage an einen Schiffsrumpf erinnerte. Vor allem
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