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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt
Autoren: André Ziegenmeyer
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Stirn bildete sich eine steile Falte.
    Nachdenkliches Unbehagen stieg in ihr auf. Es lag nicht daran, dass sie eine Straße nicht gebrauchen konnte. Auch mit deren Zustand schien soweit alles in Ordnung. Keine Auswaschungen, keine überwucherten Stellen.
    Das Problem war ein anderes: Auguste hatte davon gehört, dass anderswo im Gebirge sonderbare Leute lebten. Ganz zu schweigen von denen in der Ebene. Aber noch nie hatte sie von einer Straße aus sonderbarem schwarzem Zeug gehört. Es schillerte unter der Feuchtigkeit und schien eigentümlich glatt. Nicht so, wie es ein Stück Eis gewesen wäre. Aber doch auf fremdartige und damit beunruhigende Weise platt.
    Auf der gegenüberliegenden Seite erblickte die Hexe ein Schild aus gelb-orangem Blech. Schwarze Lettern malten sich darauf zu kurzen Worten, dahinter standen ein paar Zahlen. Auguste war mit dem Konzept „Wegweiser“ vertraut, hielt allerdings nicht allzu viel davon. Wer sich selbst in den Bergen seiner Heimat nicht auskannte, hatte es auch nicht besser verdient, als sich zu verlaufen.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben jedoch kam ihr dieses Argument nicht ganz stichhaltig vor. Angestrengt blinzelte sie auf das Schild und ließ dabei ihre Zungenspitze an einem hohlen Zahn herumspielen.
    Sie hatte Buchstaben nie sonderlich getraut. Pater Blumentritt und die anderen Mönche des kleinen Bergklosters bei Bad Brommlingen schienen große Stücke auf sie zu halten. Das Einzige jedoch, von dem Auguste wirklich überzeugt war, war, dass der langfristige Umgang mit ihnen zu schlechten Augen und fahler Haut führte. Kaum einen der Novizen hatte sie beim Fröhlichsein ertappt, wenn diese auf dem Weg zu ihrem Unterricht waren.
    Mühsam wanderte der Blick der Hexe die Reihe der Buchstaben entlang, während ihr Mund die Silben halblaut vor sich hin murmelte. Die meisten Namen sagten ihr überhaupt nichts. Doch langsam glomm im hinteren Teil ihres noch immer schmerzgeplagten Kopfes eine Erkenntnis auf. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis diese konkrete Form annahm. Doch schon ein ganzes Weilchen vorher schickte sie eine Schwadron düsterer Vorahnungen aus.
    Dies war nicht irgendein abgelegenes Tal. Das dort drüben war der Bärenstein, und damit handelte es sich um genau jenen Teil der Berge, den sie üblicherweise als ihre Heimat bezeichnete. Daraus folgten zwei Dinge: Erstens wurde der verbleibende Heimweg drastisch verkürzt, und zweitens bildete sich in Augustes Magen ein dicker, kalter Klumpen.
    Noch einmal ließ sie ihren Blick über die sonderbare Straße gleiten, und diesmal sprach ihre schimmernde Oberfläche die deutliche Sprache von wirklich großen Problemen.

Eine einsame, schwarze Düsenmaschine fraß sich durch den Nachthimmel. Das Donnern ihrer Triebwerke hallte klar durch die eisige Luft, während die formlose Landschaft unter ihr dahinzog. Nur aus unmittelbarer Nähe konnte man das vatikanische Emblem auf den Tragflächen erkennen.
    Im Inneren des Flugzeugs saß ein knappes Dutzend Männer. Die meisten wirkten, als wären sie durchaus mit beiden Seiten eines Beichtstuhls vertraut. Ein Klingelbeutel, der ihnen in die Hände geriet, konnte von seiner Zukunft einige Abenteuer erwarten.
    Etwa die Hälfte der Männer schlief. Die anderen studierten im gedämpften Licht der Bordbeleuchtung geheimnisvolle Unterlagen, zu denen auch eine Reihe von Konstruktionsplänen gehörte. Einer saß regungslos ein wenig abseits. Mit zusammengelegten Fingerspitzen und fest geschlossenen Augen wirkte der Kardinal wie das transportfertige Abbild eines Säulenheiligen. Kaum etwas deutete auf die abgründigen Pläne hin, die sich hinter seinen blassen Zügen entsponnen.
    Man hatte angeordnet, dass sein Kommen so spät wie möglich bekannt wurde – was ihm nur recht war. Lange Jahre hatte er mit der Vorbereitung dieser Mission verbracht. Ein Schauer durchlief ihn bei dem Gedanken, nun endlich unterwegs zu sein. Noch lag die Welt unter ihm in friedlichem Schlummer, doch schon sehr bald würde er für ihr nachdrückliches Erwachen sorgen.
    Gegen Ende der Nacht gelangte Auguste bei ihrer Hütte an. Genau genommen handelte es sich um jenen Ort, an dem sich die Hütte im Allgemeinen befinden sollte. Und offen gestanden rechnete die Hexe bereits mit gewissen Schwierigkeiten.
    Was sie dann aber sah, verblüffte sie dennoch. Auf ihrem Weg hatte Auguste viel Zeit gehabt, verschiedene Heimkehrszenarien durchzuspielen. Namentlich die Version, bei der sie mutterseelenallein vor einem Berg rauchender
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