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Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02

Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02

Titel: Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
Autoren: Douglass Sara
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1 D ER G EISTERBAUM -K LAN

    Kaum zehn Schritte tief im Awarinheim-Wald fühlte Aschure sich wie in einer anderen Welt. Ihr Leben lang war ihr erzählt und beigebracht worden, daß Wälder ein Ort der Angst seien, voller Finsternis und Undurchdringlichkeit. Geisterwesen hausten dort, die einem das Blut bis auf den letzten Tropfen aussaugten. Doch Aschures erster Eindruck von diesem Wald bestand darin, in ein fremdes Land voller Raum, Licht und Musik gelangt zu sein. Sie verlangsamte ihre Schritte, um alles besser betrachten zu können. Zu allen Seiten ragten Nadelbäume und Laubbäume hoch in den Himmel. Ihre geraden Stämme erhoben sich über die ersten fünfzehn oder zwanzig Ellen kahl, bis sie ihre Äste ausstreckten. Die Augen wurden dazu verführt, hoch hinauf zum grünen Baldachin zu schauen, durch den an vielerlei kleinen Stellen zwischen den Ranken, Nadeln und Blättern Licht drang. Den Waldboden bedeckten niedrige und bunte Büsche und Sträucher. Gerade dadurch, daß es keine tiefhängenden Äste oder hohes Unterholz gab, erweckte der Awarinheimwald den Eindruck von Weite und Raum. Ein besonderer Duft, kühles Licht und beruhigende Musik erfüllten die Luft, der nichts von der widernatürlichen und teuflischen Atmosphäre anhaftete, so wie sie der Seneschall immer wieder erzeugte. Aschure hielt Schra etwas weniger fest an sich gepreßt, als sie tiefer in den Wald hineinlief. Sie konnte sich an seiner Schönheit nicht sattsehen. Es verging einige Zeit, bis sie erkannte, woher die Musik kam. Wie aus weiter Ferne hörte die junge Frau das Rauschen des Nordra, der über die Felsen stürzte, und dazu gesellte sich der Gesang von Dutzenden verschiedener Vögel. Aschure lächelte und riß die Augen auf wie ein staunendes Kind. Sie hatte noch nie Vogelgesang vernommen, denn die meisten Waldtiere waren vor den Äxten geflohen. Das Gekrächz der Spatzen und Raben, die man noch in Achar antraf, war nicht zu vergleichen mit soviel Schönheit.
    Aschure rief sich zur Ordnung. Hinter ihr kämpfte ein verletzter Aware immer noch um sein Leben, und sie mußte Schra zu ihrem Vater bringen. Vielleicht konnte sie danach zurückkehren, um Ramu und Goldfeder beizustehen.
    Nun schritt sie rascher aus. Doch plötzlich sprang ein Mann hinter Winterbeerensträuchern hervor. So kräftig und dunkelhäutig wie Ramu, aber mit grauen Strähnen im dunkelbraunen Haar. Er riß ihr das Kind aus den Armen.
    Aschure war so überrascht, daß sie einen Schritt zurücktrat. Der Fremde hatte offenbar im Unterholz gelauert. Jetzt drückte er Schra an sich und sah sich mit grimmigen Blicken um. Er hatte alle Muskeln angespannt, so als rechne er mit einem Kampf. Der Mann trug einen ähnlichen Wollumhang wie der Zaubererpriester, jedoch dunkelrot gefärbt, und der Saum war mit einem Muster von ineinander verwobenen Ästen versehen. Darunter zeigte sich eine braune Lederhose, die mit Lederriemen zusammengehalten wurde. Seine Füße steckten in knöchelhohen Lederstiefeln. Die Kleine stieß einen Freudenschrei aus, als sie den Mann erkannte, und schmiegte sich dann an seine Brust.
    Aschure machte ihm durch eine beruhigende Geste klar, daß sie keine Bedrohung darstelle. Das schien der Mann aber nicht zu begreifen. Wieso auch, für ihn gehörte sie zu den verhaßten Achariten. Daß sie mit seiner Tochter in den Wald gekommen war, erschien ihm ganz und gar nicht geheuer. Er betrachtete die junge Frau mißtrauisch.
    »Ich will Euch nichts tun«, versicherte Aschure ihm so ruhig, wie sie konnte, obwohl der Mann ihr eine ziemliche Angst einjagte. Ob er sich auf sie stürzen und sie umbringen wollte?
    Der Aware kniff die Augen zusammen und trat einen Schritt zurück. Aschure sah nach links und nahm dort eine Bewegung wahr. Eine schlanke, dunkelhaarige Frau trat zwischen den Bäumen hervor. Sie reichte Aschure gerade bis an die Schulter und trug ein langes blaßgelbes Gewand, dessen Saum kunstvoll und wie bei Ramu mit springenden Hirschen versehen war. Die Fremde strahlte Macht und Selbstvertrauen aus und trat zu dem Mann, ohne einen Blick auf die Acharitin zu werfen.
    »Grindel«, sagte sie sanft und legte ihm ihre zierliche, kleine Hand auf die Schulter, »ich glaube, uns droht keine Gefahr. Schra scheint nichts zu fehlen, und sie hat keine Angst vor der Frau.« Damit wandte sie sich zum ersten Mal an Aschure. »Ich heiße Barsarbe und bin eine der Zaubererpriesterinnen der Awaren.« Sie nickte höflich, aber ihre ganze Haltung schien eine Erklärung von der
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